Braut von Assisi
Mönchs so zu irritieren, dass sie ihn entweder unverwandt angafften oder sogar anrempelten, als wäre seine Gegenwart ihnen lästig.
Das Pochen in seinem Schädel hatte sich mittlerweile zu einem dumpfen Dröhnen gesteigert, das ihn dünnhäutig, reizbar und missmutig machte. Die Aussicht, sich zusammen mit ein paar Betrunkenen das spärliche Stroh der Schlafstatt zu teilen, ließ seinen Unmut weiter wachsen.
Irgendwann hatte er von allem genug. Er warf ein paar Kupfermünzen auf den Tisch und ging nach draußen. Der Wirt, sichtlich unglücklich, einen zahlenden Gast zu verlieren, verfolgte ihn mit lautstarken Versicherungen, Leo aber gab sich keine weitere Mühe, ihn zu verstehen, sondern holte Fidelis aus dem Stall und ging schnellen Schritts davon.
Endlich durchatmen!
Er sog die frische Abendluft begierig ein und fühlte sich sofort besser. Warum die Nacht nicht einfach unter einem Baum verbringen? Franziskus und seine ersten Weggefährten hatten ihm das tausendmal vorgemacht.
Der Himmel über ihm war tiefblau, wie mit Gold durchzogen, eine Farbe, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. Es roch nach Jasmin, der irgendwo über eine Mauer wuchern musste, nach Sommer – nach Abenteuer. Ein selten gekanntes Glücksgefühl durchströmte ihn, eine plötzlich aufflackernde Liebe zu Gottes wunderbarer Schöpfung, die er erleben durfte. Er spürte, wie seine Augen vor Rührung feucht wurden, als ihn plötzlich jemand am Ärmel zupfte.
»Ihr sucht eine Bleibe?«, hörte er eine Frauenstimme sagen und schaute in ein breites, nicht mehr junges Antlitz. »Dann kann ich Euch helfen.«
Die Fremde war so klein, dass sie den Kopf in den Nacken legten musste, um zu ihm aufzusehen. Sie trug eine breite weiße Haube, wie viele ehrbare Frauen es hier taten, sowie ein schlichtes dunkles Gewand, das über der Brust geschnürt war. Und sie schien allein zu sein.
Wieso beherrschte sie seine Sprache? Und woher konnte sie wissen, dass er ein Fremder war?
»Ich hab Euch vorhin in der Taverne gesehen«, fuhr sie fort, als könnte sie seine Gedanken lesen. »Ihr habt ein Gesicht gezogen, als würdet Ihr am liebsten auf der Stelle davonlaufen. Und das habt Ihr ja schließlich auch getan.«
Er glaubte, ein unterdrücktes Lachen zu hören.
»Ich habe alles, was ich brauche«, erwiderte er. »Falls Ihr Wirtin seid und nach Gästen Ausschau haltet, so tut es mir leid, Euch enttäuschen zu …«
»Ich bin alles andere als eine Wirtin«, fiel sie ihm ins Wort. »Und Ihr werdet ein Dach über dem Kopf brauchen, glaubt mir! Ich kenne ein anständiges Haus, das Euch aufnehmen kann.«
Ob sie ein Hurenhaus führte und unterwegs war auf abendlichem Freierfang? Manche dieser Weiber schreckten vor nichts zurück, das hatte er auf seinen Reisen mehr als einmal erlebt, und auch, dass bisweilen Mönche sehr wohl zu ihren Kunden zählten. Was für seine Heimat galt, konnte ebenso gut auch für Assisi zutreffen. Unwillkürlich hatte er wohl eine ablehnende Geste gemacht.
»Jetzt fühlt Ihr Euch bedrängt«, sagte sie in bedauerndem Tonfall. »Das tut mir leid. Dabei wollte ich Euch doch bloß behilflich sein. Ihr könnt mir ruhig vertrauen, auch wenn Ihr mich nicht kennt.«
»Wieso sollte ich?«, stieß Leo hervor. »Ihr passt mich ab, nachdem Ihr mich heimlich beobachtet habt, um mir dann ein seltsames Angebot zu unterbreiten. Wie könnte ich in der Abendstunde einfach ein mir völlig fremdes Haus aufsuchen und dort um Obdach bitten?«
Jetzt lachte sie.
»Ja, für Eure Ohren muss sich das wirklich seltsam anhören, doch Ihr könnt mir vertrauen, ich sag es gern noch
viele, viele Male. Die Leute, zu denen ich Euch bringe, sind fromm und gottesfürchtig. Und mit dem heiligen Franziskus verbindet sie sehr viel.«
»Wer seid Ihr?« Neugierig sah er sie an.
»Ach«, sagte sie wegwerfend, »das tut doch hier nichts zur Sache! Ich war ebenso fremd wie Ihr, als ich vor fast zwanzig Jahren in diese Stadt kam, doch inzwischen habe ich mich hier gut eingelebt. Gehen wir?«
Sie machte ein paar Schritte, während er stehen blieb.
»Ich konnte Euch noch immer nicht überzeugen? Folgt mir, padre , Ihr werdet es sonst bereuen!«
Fidelis stieß ein leises Wiehern aus.
»Du magst sie, meine Alte?«, fragte Leo leise. »Oder kannst du schon einen sauberen Stall schnuppern?«
»Einen Stall haben sie natürlich auch«, sagte die Fremde. »Es ist ein gastfreudliches, äußerst großzügiges Haus. Dort wird es Euch an nichts mangeln.«
»Ihr kennt die
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