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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Umschwenken fiel Leo nicht schwer. Ob das auch an dem satten Licht lag, das durch die drei großen Rosetten der Fassade ins Kircheninnere floss wie fein gesponnenes Gold?
    Eine ganze Weile schon hatte Leo sich daran gelabt. Nun aber drängte es ihn zum Aufbruch, denn der Abend war nicht mehr allzu fern, und noch immer fehlte ihm ein passendes Quartier in der Stadt.
    Er war schon am Hinausgehen, da fiel sein Blick auf zwei junge Frauen, die ein Stück vor ihm nebeneinander in der rechten Seitenkapelle beteten. Die eine war so blond und hell wie der Frühling, während ihn die andere mit dem strengeren Profil und den nachtschwarzen Flechten an eine geheimnisvolle Mondnacht erinnerte. Trotz ihres unterschiedlichen Aussehens erschienen sie ihm eng verbunden. Sie knieten so nah nebeneinander, dass die weiten Ärmel ihrer hellen Kleider sich berührten, und als sie zwischendrin
aufschauten und sich kurz anlächelten, spürte Leo, wie sein Herz sich schmerzlich zusammenkrampfte.
    Zwei Schwestern hatte er vor langen Jahren verloren, schöne, stolze Mädchen, nur zwei und vier Jahre älter als er, die er oft um ihre wortlose Vertrautheit beneidet hatte, in der für den schüchternen Jungen, der er damals gewesen war, wenig Platz schien. Während eines eisigen Winters waren sie beide nacheinander an Halsbräune gestorben und hatten zwischen ihm und Ulrich, dem älteren Bruder, eine Lücke hinterlassen, die sich nie mehr schloss.
    Ob die beiden jungen Frauen seine sehnsüchtigen Blicke gespürt hatten? Die Blonde drehte sich zu ihm um und schaute ihm direkt in die Augen, dann wandte sie sich erneut nach vorn und flüsterte der Dunklen etwas ins Ohr.
    Leo wurde heiß vor Verlegenheit, und jetzt konnte es ihm kaum schnell genug gehen, San Rufino zu verlassen.
    Draußen blinzelte er in die tief stehende Sonne. Es war noch immer sehr warm, eine wohltuende, fast zärtliche Wärme, die sanft in die Knochen zu dringen schien. Ein paar Tauben trippelten über den Vorplatz, ein kleiner Junge war seiner Mutter weggelaufen und versuchte mit tapsigen Bewegungen, sie zu fangen, was natürlich misslang.
    Wohin sollte er nun gehen?
    Auf dem Weg zur Kirche waren ihm schon ein paar Herbergen aufgefallen, von denen ihm im Vorbeigehen allerdings keine sonderlich zugesagt hatte. In einer hatte er allerdings Fidelis zurückgelassen, weil sie wenigstens einen kleinen Stall besaß, in dem seine Stute für einige Zeit unterkommen konnte. Also doch lieber ins örtliche Minoritenkloster, selbst auf die Gefahr hin, dass dort mehr getratscht wurde, als ihm lieb sein konnte?
    Während Leo in Gedanken Pro und Kontra abwog,
hörte er plötzlich ein Sirren neben seinem Ohr, das sofort eine vertraute Saite in ihm anschlug. Ganz ähnlich hatten die Pfeile geklungen, mit denen sein Bruder Ulrich und er als Jungen Feldhasen und Eichhörnchen gejagt hatten. Getroffen hatten sie allerdings äußerst selten, das wusste er noch ganz genau, und dennoch waren sie stets mit Feuereifer bei der Sache gewesen.
    Doch wie passte diese alte, längst vergessen geglaubte Erinnerung zu diesem friedlichen Kirchplatz im späten Nachmittagslicht?
    Leo hörte, wie der Pfeil klickend auf dem Pflaster aufschlug. Und sofort hinterher das Sirren eines zweiten. Sein Blick flog zu den Fenstern der angrenzenden Häuser. Die meisten Läden waren geschlossen, wie ausgestorben war ihm gerade noch alles erschienen. Doch irgendwo dort musste der unsichtbare Schütze stehen, der heimlich Jagd machte auf – Tauben?
    Wieder ein Pfeil. Und noch einer.
    Ob sie ihm galten? Ein Gedanke, der kurz in Leo aufblitzte, bevor seine Beine sich wie von selbst in Bewegung setzten. Denn soeben waren die beiden jungen Frauen aus dem Portal getreten, nichts ahnend, offensichtlich ins Gespräch vertieft, während er den nächsten Pfeil schon gefährlich nah sirren hörte.
    Er sprang auf sie zu, packte die Dunkle am Arm und riss sie wortlos mit sich zu Boden. Er hörte einen spitzen Schrei, den die Blonde ausstieß, dann das metallische Klackern der Pfeilspitze auf dem Pflaster.
    Für ein paar Lidschläge lagen alle drei ineinander verknäuelt, unfähig, sich zu rühren, bis Leo sich schließlich als Erster hochrappelte.
    »Scusate!« , stieß er hervor. »Ho visto il … la …« Er vertummte, während nun auch die junge Frau langsam wieder
auf die Beine kam. Die Wunde am Hinterkopf begann erneut verräterisch zu pochen. Leo wurde leicht schwindelig, doch er zwang sich, diesen Anflug zu übergehen.
    Wie hieß

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