Braut von Assisi
nehmen auf den Weg‹«, zitierte Leo spontan. »Welch anderes Andenken an den Heiligen könnte es jemals für uns Brüder geben? Allein die
Armut macht federleicht. Sie war sein direkter Weg zu Gott.«
Abt Matteo drängte ihn unsanft aus der Tür des Krankenzimmers.
»Sag du mir nicht, wer Francesco war!«, zischte er, als sie nebeneinander auf dem Gang standen. »Fra Elias hat sein Leben der Entstehung dieser Kirche und dieses Klosters gewidmet. Diese Mauern hier sind sein Vermächtnis an uns und an die ganze Welt.«
Das Seidenkleid klebte Stella unangenehm am Rücken, und auch Ilaria schien es kaum anders zu ergehen, denn sie trat ständig von einem Bein auf das andere, um sich mehr Luft zu verschaffen, was die unregelmäßigen Planken des länglichen Holzkarrens, auf dem sie zu viert standen, leicht schwingen ließ. Obwohl der Abend nicht mehr weit war, lag immer noch sommerliche Wärme über dem großen steinernen Platz, der sich mehr und mehr mit Neugierigen füllte.
Der Duft der Rosen und des aufgeblühten Jasmins stieg Stella in die Nase. Die Blüten schmückten den Hochzeitswagen und waren ebenso weiß wie ihre Gewänder, die Unschuld und Reinheit symbolisierten, das Wichtigste, was man von einer Braut erwartete. Natürlich hielten sich längst nicht alle junge Mädchen an dieses Gebot, und auch bei Ilaria hegte Stella berechtigte Zweifel hinsichtlich der nach außen demonstrierten Jungfräulichkeit – doch der gesellschaftliche Schein musste gewahrt bleiben, besonders wenn die Braut aus den höheren Schichten stammte.
Dass seine beiden Töchter dazu gehörten, bewies Vasco Lucarelli an diesem Tag mit jedem Detail. Der Blumenschmuck
von Hochzeitswagen und Pferdegespann war so üppig wie selten gesehen, die Gewänder aller Familienmitglieder erlesen, und selbst beim Wein, der dem Publikum gratis ausgeschenkt werden würde, sobald seine kleine Ansprache vorüber war, hatte er nicht gespart: ein schwerer, vollmundiger Roter aus der Gegend von Spoleto, der rund und samtig die Kehle hinunterrann und, was fast ebenso wichtig war, schnell zu Kopf stieg.
Federico della Rocca, in grünem Wams und dunkleren Beinkleidern, strahlte über das ganze Gesicht und konnte den Blick nicht von seiner lieblichen Braut lassen, die ebenfalls lächelte und trotz aller Aufregung sehr glücklich wirkte.
Doch was war mit Carlo?
Schon bei der Begrüßung waren seine Lippen, die nur flüchtig Stellas Stirn gestreift hatten, eiskalt gewesen, und jetzt, da er neben ihr stand, schien eine innere Unruhe seinen ganzen Körper ergriffen zu haben. Auch seine Aufmachung war tadellos, die Hosen taubenblau, das Wams im gleichen Ton, was den auffälligen Rotton seiner Mähne hervorhob. Die Füße steckten in brandneuen Schnabelschuhen, dunkelbraun und so glänzend, als hätte jemand sie stundenlang gewienert. Sein Gesicht war auffallend bleich, die Augen umschattet, als hätte er die vergangene Nacht ausgiebig gezecht oder schlecht geschlafen. Als Stella zwischendrin nach seiner Hand griff, um sie kurz zu drücken und sich damit selbst Mut zu machen, hatte sie das Gefühl, einen Schlafwandler zu berühren, so schlaff und klamm fühlte sie sich an.
Simonetta dagegen war ganz in ihrem Element, herausgeputzt in weinrotem Damast, zu dessen zahlreichen Raffungen und Fältelungen ihr praller Busen wogte, das Haar keineswegs sittsam von einer Haube verborgen, wie es
eigentlich üblich war, sondern mit bunten Bändern und Halbedelsteinen zu einem waghalsigen Turm aufgebauscht, der sie unübersehbar machte. Sie lächelte bemüht nach allen Seiten, begrüßte jeden Neuankömmling überschwänglich und führte dabei innerlich genau Buch über all jene, die nicht erschienen waren.
Allmählich wurden die Schatten länger, und die Säulen des römischen Minervatempels, den so mancher Bürger von Assisi als heidnisches und damit gefährliches Erbe betrachtete, das man lieber abreißen als mit Steuergeldern mühsam erhalten sollte, wirkten im Abendlicht noch imposanter. Eine Schar von Mauerseglern flog auf.
»Das bringt bekanntlich Glück, sorellina «, flüsterte Ilaria Stella hinter Federicos und Carlos Rücken zu. »Und hör endlich auf, ein Gesicht zu ziehen, als käme im nächsten Moment der Henker um die Ecke! Das ist unsere öffentliche Verlobung und keine Hinrichtung – basta.«
Unwillkürlich musste Stella lächeln, und sie schenkte Ilaria einen warmen Blick. Wenn sie doch nur mehr von deren Unbekümmertheit besäße! Doch in ihrem Magen
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