Braut von Assisi
hatte sich ein harter Knoten gebildet, der sich immer stärker zusammenzog.
»Willst du nicht endlich anfangen, Lucarelli?«, rief ein Glatzkopf mit derben Zügen und einem Hemd, das schon mehrfach geflickt war. »Wir sterben hier nämlich schon halb vor Durst! Oder müssen deine Schönheiten weiter abhängen wie Rehhälften? Das könnte dann freilich zu viel des Guten werden!« Er zog eine freche Grimasse und deutete mit den Händen ausladende Hüften und üppige Brüste an.
Alle lachten. Ein paar Umstehende begannen zu applaudieren. Niccolò, dem Spaßmacher, der als Bäcker im Morgengrauen mühsam sein Brot verdiente, nachts aber
als trobadore in den Schenken mal wüste, dann wieder zärtliche Lieder zur Laute sang, konnte keiner böse sein.
»Bürger von Assisi«, begann Vasco, der selbst erleichtert wirkte, den Auftritt endlich hinter sich zu bringen, »mit Freude und Stolz möchte ich euch heute die Verlobung meiner Kinder zur Kenntnis bringen. Meine Tochter Ilaria Giovanna Mathilda Lucarelli und der edle Signor Federico Guido Maurizio della Rocca werden sich in der nächsten Woche miteinander vermählen.«
Federico beugte sich über Ilarias Hand und deutete einen Kuss an. Deren kristallblaue Augen schimmerten vor Vergnügen, während sie vor ihm einen schelmischen Knicks machte. Beifall brandete auf, dazwischen Jubelrufe, die ebenso dem schönen Brautpaar wie der anschließenden Bewirtung gelten mochten.
»Doch dieser unvergessliche Tag hält noch ein zweites Geschenk für mich bereit.« Zitterte Vasco Lucarellis Stimme leicht, oder war das nur der Abendwind, der über den Platz strich und diesen Eindruck erweckte? »Auch meine zweite Tochter, Stella Francesca Lucarelli, wird sich binnen Wochenfrist vermählen, und zwar mit dem künftigen Conte Carlo Girolamo Vincente della Rocca …«
»Das glaube ich kaum! Oder wollt Ihr Euer Kind einem Bastard zur Frau geben?«, schallte es über den Platz. »Das würde ich mir an Eurer Stelle noch einmal gut überlegen, Signor Lucarelli!«
Alle Köpfe flogen herum zu dem Mann, der diesen Ausruf gewagt hatte. Die öffentliche Verlobung auf der Piazza della Commune, die vor allem reiche Familien in Anspruch nahmen, diente sehr wohl dazu, Einsprüche gegen eine Vermählung zu erheben, doch seit Jahren hatte niemand in Assisi mehr Gebrauch davon gemacht.
Stella rang nach Luft, Carlo schien wie erschlagen, Federico
machte ein Gesicht, als wünschte er sich weit weg, nur Ilaria behielt als Einzige auf dem Hochzeitswagen die Ruhe und brachte sogar die Spur eines Lächelns zustande.
»So tu doch endlich etwas!«, zischte Simonetta ihrem Mann zu, dessen Züge plötzlich erschlafft wirkten. »Bring den Verrückten zum Schweigen! Oder muss ich das machen? «
Der Mann hatte sich seelenruhig einen Weg durch die gaffende Menge gebahnt, die vor ihm zurückwich, als wäre er der Leibhaftige. Inzwischen stand er in Reichweite der Verlobten. Seine Kleidung war die eines Bauern, grau, filzig und abgerissen, sie stank zudem durchdringend nach Stall. Seine Haltung jedoch war aufrecht, verriet Stolz und eine gehörige Portion Selbstvertrauen.
»Wie könnt Ihr wagen, unser Fest zu stören?« Vascos Stimme war rau geworden. »Widerruft auf der Stelle Eure frevelhafte Behauptung!«
»Das kann ich leider nicht.« Der Fremde starrte hinauf. »Selbst, wenn ich wollte. Denn die Wahrheit darf nicht länger mit Füßen getreten werden.«
»Welche Wahrheit?«, fragte Vasco. »Erklärt Euch gefälligst! «
»Verschwinde!«, schrie Carlo vom Wagen herunter. »Oder ich lass dir Beine machen, Unverschämter! Mein Vater, Conte …«
»Dein Vater?«, fiel der Mann ihm ins Wort. »Dein Vater bin ich – und nicht der lendenlahme Alte auf seiner behaglichen Burg.« Er zog sich die Mütze vom Kopf und entblößte einen ungebärdigen Schopf, der in der tief stehenden Sonne wie poliertes Kupfer leuchtete. »Musst nur einmal die Augen richtig aufmachen, Junge! Hast mein festes Feuerhaar geerbt und bist mir auch sonst ganz aus dem Gesicht geschnitten.«
Ein Raunen erhob sich, während Stella im Boden versinken wollte. Der Mann hatte recht, wie sie sofort erkannte. Carlo hatte zwar eine glatte Haut und eine schmälere Nase, während die Züge des Älteren gröber waren, gezeichnet von Alter, Weingenuss und Wetter. Doch eine verblüffende Ähnlichkeit blieb dennoch unübersehbar. War es das, was Carlo so unendlich wütend machte?
»Mit meinem Schwert werde ich dich durchbohren!«, schrie er. »Einer,
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