Braut von Assisi
einmal nach den Carceri gefragt, nachdem Ilaria bereits im Haus verschwunden war?
Leos Kopf schwirrte, und ihm war auf einmal, während er durch die Gassen lief, glühend heiß, sodass er sich plötzlich nicht mehr ganz sicher war.
»Ihr wart noch einmal dort, padre ?«
»Das war ich.«
»Allein?«
»Allein.«
»Aber wie konntet Ihr Euch dann mit Fra Giorgio verständigen? Er versteht Euch doch nicht!«
»Das genau war die Schwierigkeit. Er verstand so gut wie gar nichts – leider. Ich fürchte, ich muss es morgen ein drittes Mal versuchen. Würdet Ihr mir dabei noch einmal helfen?«
»Wann immer Ihr wollt. Ich hoffe, das wisst Ihr. Allen Wespenattacken zum Trotz.«
Leo blieb stehen, wischte sich den Schweiß von der Stirn. Weshalb wollte ihm ihr Gesicht mit den ernsten Augen nicht mehr aus dem Sinn gehen, das so gar nicht zu der festlichen Aufmachung gepasst hatte?
Die Frauen sind gefährlich – sollte der alte Eremit mit seiner Warnung recht behalten?
Die Ankunft an der Klosterpforte brachte Leo auf andere Gedanken. Ein freundlicher älterer Mönch mit Schmerbauch, gewiss auch kein Asket, wie Leo schmunzelnd dachte, ließ ihn ein, nachdem er nach Abt Matteo gefragt hatte.
»Ich kann dir leider nicht helfen, Bruder«, rief der ihm schon im Entgegenkommen zu. »Fra Eligio ist nach wie vor …«
»Ich muss ihn sprechen. Sofort! Und du wirst mein Dolmetscher sein.«
»Das kann ich nicht verantworten.«
»Die Verantwortung übernehme ich«, versicherte Leo. »Und unser Bruder Johannes von Parma wird sie zusammen mit mir tragen, dessen sei gewiss!«
»Dann komm!« Falls der Abt erzürnt über seine Hartnäckigkeit war, ließ er es sich nicht anmerken.
Vorbei am Refektorium und einem erstaunlich großen und gut ausgestatteten Scriptorium, wie Leo erstaunt feststellte, weil die Tür zum Gang offen stand, brachte Matteo ihn zum Krankentrakt. Auch hier verblüfften Leo die Ausmaße, was der Abt zu bemerken schien, noch bevor sein Gast eine Bemerkung fallen ließ.
»Schon jetzt müssen wir viele Bewerber abweisen«, sagte er. »Männer, die sich Illusionen über ein Leben als Franziskanermönch hingeben oder die Botschaft des Heiligen missverstehen. Wir wollen und brauchen nur die Besten, fromme, zutiefst loyale Brüder, die sich bereit erklären, bedingungslos für das Lob Francescos einzustehen. Wir können es uns leisten, wählerisch zu sein – wir müssen es sogar. Nur so wird Sacro Convento weiterhin wachsen und blühen.«
»Seid ihr Brüder eigentlich auch in der hiesigen Siechenpflege tätig?« Die Frage war Leos Lippen entschlüpft.
»Weshalb willst du das wissen?« Zwischen den Brauen des Abts erschien eine strenge Falte.
»Seid ihr?«, wiederholte Leo. »Zum Beispiel bei den Leprakranken? «
»Weil Francesco sich anfangs um Lepröse gekümmert hat, fragst du deshalb? Später haben die ersten Brüder und er sich anderen Aufgaben zugewandt, und so halten wir es ebenfalls. In Assisi sind es inzwischen städtische Behörden, die sich dieser Ärmsten der Armen annehmen, in zwei geräumigen Siechenhöfen außerhalb der Stadtmauern, um Ansteckung zu vermeiden, und sie verrichten ihre Arbeit sorgfältig und gottesfürchtig.«
»Und wer kümmert sich um die Seelen der Kranken?« Irgendetwas zwang Leo, sich immer weiter in dieses Thema zu vertiefen.
»Der Kaplan von San Giorgio. Und ab und an hat auch unser Fra Eligio ausgeholfen. Doch das kann er jetzt leider nicht mehr. Überzeug dich selbst!«
Der Abt stieß eine schmale Tür auf, die in einen länglichen Raum führte. Trotz der glimmenden Räucherschalen, die jemand großzügig um das Bett verteilt hatte, schlug ihnen ein Geruch entgegen, vor dem man am liebsten auf der Stelle wieder geflohen wäre.
Fäulnis. Beginnende Verwesung.
Noch atmete der Kranke zwischen den hellen Leinenbezügen schwer, aber er stank beinahe wie ein Toter.
Fra Orsino, der an seinem Bett gesessen und gerade dabei gewesen war, ihm eine Flüssigkeit einzuflößen, erhob sich mit betrübter Miene, die sich kurz erhellte, als er Leo wiedererkannte.
»La testa?« Er berührte seinen eigenen massigen Schädel. »Meglio?«
»Sì«, sagte Leo. »Meinem Kopf geht es viel besser. Bitte sag ihm, Bruder Matteo, dass seine Behandlung hilfreich war und ich mich herzlich dafür bedanke.«
Abt Matteo übersetzte, während der Riese kurz nickte, um sich erneut dem Kranken zuzuwenden. Während seine Pranken mit einem Tuch den Schweiß von dessen Stirn tupften, redete er leise
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