Braut von Assisi
vor sich hin.
»Eligios Zustand ist denkbar schlecht«, flüsterte Matteo. »Eine schlimme Krise letzte Nacht, die er kaum überstanden hat, und wenn eine weitere eintritt, womit leider zu rechnen ist, wird der Allmächtige ihn wohl zu sich nehmen. Mit den Segnungen der Letzten Ölung ist er bereits versorgt; ich selbst habe ihm heute Morgen eigenhändig das heilige Sakrament gespendet.«
Leo starrte auf den Mann mit den wachsbleichen, eingefallenen Zügen, der den frommen Schwestern in San Damiano die Beichte abgenommen hatte. Sein Atem ging rasselnd, jeder Zug schien eine immense Anstrengung.
Zufall, dass er ausgerechnet jetzt so elend hier liegen musste? Oder gab es irgendeinen Zusammenhang mit dem ungeklärten Tod Magdalenas?
»Woran ist er noch einmal erkrankt?«, fragte Leo und sah dabei den Infirmar an.
Orsino gab eine kurze Antwort, die dem Abt nicht zu gefallen schien, denn er stellte seinerseits auf Italienisch eine Frage, die der Bär mit Kopfschütteln beantwortete.
»Ein plötzliches Aufkochen schwarzer Galle, wie ich schon sagte.« Abt Matteos dünne Lippen wirkten plötzlich noch verkniffener. »Er kann nichts mehr bei sich behalten, und auch sein Darm versagt ihm seit Tagen den Dienst.
Möglicherweise ausgelöst durch eine Vergiftung, wie Fra Orsino meint.«
»Er wurde vergiftet – hier im Kloster?«, rief Leo.
»Natürlich nicht!«, versicherte der Abt. »Jeder in Sacro Convento schätzt unseren Bruder. Aber Eligio hat nun einmal die leidige Angewohnheit, unterwegs ständig verschiedenste Pflanzen und Früchte zu sammeln und diese dann auch noch an Ort und Stelle zu kosten. Vielleicht ist er auf seinem Weg nach San Damiano versehentlich an etwas Giftiges geraten …«
Der Kranke öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, doch außer Gurgeln und einer grünlichen Brühe, die hässliche Flecken auf dem Leinen hinterließ, kam nichts heraus.
»Wann genau war sein letzter Besuch dort?«, bohrte Leo weiter.
»Dürfte ungefähr acht Tage zurückliegen, wenn ich mich nicht irre. Allerdings müsste ich nachsehen, wenn du es exakt wissen willst. Im Pfortenbuch wird aufgezeichnet, wenn einer von uns das Kloster verlässt.« Matteos wasserblaue Augen waren so leer, als hätte sie etwas von innen ausgehöhlt.
Er lügt, dachte Leo. Er weiß es ganz genau, aber er denkt nicht daran, es mir zu sagen.
Vom Krankenlager kam ein unartikulierter Laut. Dann bäumte Eligio sich auf, riss die Augen auf und begann zu schreien: »La morte non giunge mai solo una volta. È un mostro della notte che ha molta fame …« Erschöpft sank er zurück.
Weil Matteo ihn nur anstarrte und keine Anstalten zu übersetzen machte, stieß Leo ihn leicht in die Seite.
»Er scheint bereits zu halluzinieren«, sagte der Abt leise. »Jesus Christus, stehe ihm bei!«
»Was hat er gesagt?« Leo wollte alles wissen.
»Der Tod kommt nie nur einmal. Er ist ein hungriges Ungeheuer, eine Ausgeburt der Nacht …«
»Aber was hat das zu bedeuten?«, fragte Leo. »Bezieht er sich vielleicht auf etwas, von dem ihr Kenntnis habt?«
Bevor Abt Matteo antworten konnte, deutete Fra Orsino auf den Kranken und legte dann die große Hand schützend an seine fleischige Wange.
»Orsino hat recht«, sagte der Abt mit hörbarer Erleichterung. »Wir stören hier schon viel zu lange. Ich muss wieder zurück zu den anderen. Und du, Bruder Leo, wirst sicherlich auch noch vielerlei wichtige Dinge zu erledigen haben, nehme ich an.«
»Die alle warten können.« Die Idee war gerade erst in Leos Kopf entstanden, doch sie gefiel ihm. Er würde seine Eindrücke vertiefen, die Mönche untereinander beobachten und weiterhin ein Dorn im Fleisch des Abtes sein, der schon heilfroh gewesen war, ihn endlich wieder los zu sein. »Ich würde gern den restlichen Tag bei euch im Kloster verbringen. In der Gemeinschaft der Brüder, die ich schon seit Langem vermissen muss.«
Und glücklicherweise weit entfernt von der Piazza della Commune, wo ich Stellas öffentliche Verlobungsfeier mit ansehen müsste!, fügte Leo stumm für sich hinzu.
»Dazu bist du herzlich eingeladen.« Matteo zog eine Miene, als würde er ihm stattdessen lieber an die Gurgel gehen. »Allerdings wirst du erleben, dass wir das Andenken Francescos auf andere Weise pflegen, als du es vielleicht gewohnt bist. Heute noch in der stillen Intimität der Grablegungskirche. Doch wenn schon bald die prachtvolle Oberkirche gänzlich vollendet und geweiht sein wird …«
»›Ihr sollt nichts mit euch
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