Braut von Assisi
der es wagt …«
»So wie ich deine Mutter mit meinem kräftigen Speer beglückt habe, damals im Stroh, wieder und immer wieder, weil das dem alten Conte bei seinem Weib nicht mehr gelingen wollte? Ihr Pferdeknecht war ich und ihr Augenstern gleich mit dazu, und als sie dann endlich schwanger war und bekommen hatte, was sie so sehnlich begehrte, da hatte ich ausgedient.« Der Mann warf die schulterlangen Haare zurück und lachte. »Untergeschoben hat sie dich ihm, kein übler Plan, wie ich einräumen muss – aber hat der listige Alte ihr jemals wirklich geglaubt, was meinst du? Gib dir die Antwort selbst, mein Sohn! Du kennst sie.«
Inzwischen war es totenstill auf dem Platz geworden. Keiner wollte auch nur ein Wort versäumen.
»Stella, ich …« Carlo hatte zu zittern begonnen. Sie sah die Verzweiflung in seinen Augen, doch sie konnte ihm nicht helfen, jetzt nicht mehr.
Sie versetzte ihm einen Stoß, der ihn verblüfft erstarren ließ. Dann drehte sie sich um, sprang die kleine Leiter an der Rückseite des Wagens hinunter, fast ohne die Stufen zu berühren, so heftig trugen sie Wut und Scham, und kam unsanft auf dem groben Pflaster auf. Sie unterdrückte einen Schmerzenslaut, riss sich den Kranz vom Haar und raffte ihr kostbares Kleid. Geschickt schlängelte sie sich zwischen
den Leibern hindurch und rannte schließlich, als sie die Menge hinter sich gelassen hatte, in westlicher Richtung davon, so schnell sie nur konnte.
Sie hatte keine Tränen mehr, doch ihre Augen brannten und waren glasig wie bei hohem Fieber. Wie lange sie in Ilarias Armen geschluchzt hatte, wusste Stella nicht. Als sie sich schließlich von ihr löste, war draußen längst die Dunkelheit hereingebrochen.
»Fühlst du dich ein wenig besser?« Ilarias Miene war besorgt. »Ich dachte schon, du würdest in deinem Tränenmeer ertrinken.«
»Was auch das Beste gewesen wäre«, fuhr Stella auf. »Für mich. Und für euch erst recht. Deine Verlobung habe ich gründlich verdorben. Und auf die Straße kann ich auch nicht mehr. Sogar die Eltern haben mich schon aufgegeben. « Simonetta und Vasco hatten mehrmals nach ihr geschaut, das Zimmer aber immer wieder bald verlassen, als hätten sie Angst, sich mit etwas zu infizieren, das sie dann vielleicht nie mehr loswerden würden – so jedenfalls war es Stella erschienen. »Ich bin eine Aussätzige – mein ganzes Leben ist verdorben!«
»Meinst du nicht, dass du jetzt ein wenig übertreibst?« Ilaria reichte Stella einen Becher mit Wasser, den sie in einem durstigen Zug leerte. »Natürlich war das kein schöner Auftritt vorhin …«
»Kein schöner Auftritt? Es war wie ein Sprung mitten in die Jauchegrube! Hast du nicht ihr Feixen gesehen und ihr Grölen gehört?« Beinahe feindselig funkelte sie die Ziehschwester an. »Du, du hast gut reden – mit deinem feinen Federico und seinem tadellosen Stammbaum! Ihr
könnt heiraten und glücklich werden, während ich vor den Augen aller …« Sie schlug die Hände vor das Gesicht und wartete auf neue Tränen.
»Am schlimmsten muss es doch für Carlo gewesen sein«, sagte Ilaria leise.
»Willst du ihn jetzt auch noch in Schutz nehmen?« Stella ließ die Hände sinken und starrte Ilaria an. Sie hatte Tränenspuren auf deren Kleid hinterlassen, das zerknittert war und gar nicht mehr blütenrein. Der Tag hatte sie alle befleckt, jeden von ihnen.
»Warum nicht?« Ilarias Stimme war sanft. »Wenn es so war, wie der Mann auf der Piazza behauptet hat, dann kann Carlo doch am wenigsten etwas dafür. Ihn hat schließlich keiner gefragt, ob er auf diese Weise ins Leben kommen möchte.«
»Aber er hätte es mir sagen müssen«, beharrte Stella.
»Und wenn er es selbst nicht wusste? Oder den Mut dazu nicht aufbringen konnte?«
»Auf welcher Seite stehst du eigentlich, Ilaria?« Stella funkelte sie aufgebracht an.
»Auf deiner natürlich, Sternchen. Für immer und ewig!«
»Und wieso bist du mir dann auf einmal so fremd? Das kommt doch alles nicht von dir! Federico schickt dich vor.« Stella war aufgesprungen. »Gib es zu! Er hat dich gebeten, mich zur Vernunft zu bringen, weil er Angst hat, ein solcher Eklat könnte auf seine edle Familie zurückfallen. Aber glaub mir, ich war niemals vernünftiger als jetzt.«
Sie zerrte sich den Ring vom Finger, was nur mit einiger Anstrengung gelang, und warf ihn quer durch das Zimmer. Ilaria bückte sich, hob ihn wieder auf und legte ihn zurück aufs Bett.
»Federico habe ich schon vor Stunden weggeschickt. Weil ich
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