Braut von Assisi
einem Querbalken eine Ölfunzel abgestellt. Gefährlich, wie Stella unwillkürlich dachte. Beinahe so gefährlich wie er selbst. Ein einziger unbedachter Stoß – und alles konnte in Flammen aufgehen. Doch gleichzeitig beruhigte sie das Gefühl, mit ihm nicht in völliger Dunkelheit verhandeln zu müssen.
Sie folgte ihm, als er langsam auf das Licht zuging.
»Ich wusste nichts davon, das musst du mir glauben!« Erregt begann er auf sie einzureden. »Hätte ich auch nur die geringste Ahnung gehabt …«
»Ist es wahr, was der Mann gesagt hat? Ist er dein Vater? «, fiel sie ihm ins Wort. »So jedenfalls denkt nun die ganze Stadt – dass mein Vater mich mit einem Bastard verloben wollte.«
»Er lügt, er muss lügen!« Carlo klang immer verzweifelter. »Mein Vater ist der Conte Ricardo della Rocca – und kein dahergelaufener Pferdeknecht! Sieh mich an: Ich bin noch immer der, den zu ehren und zu lieben du feierlich gelobt hast.«
Im ungewissen Schein der Funzel wirkte sein Gesicht verändert. Die ständig wechselnden Schatten machten es gröber und älter. Plötzlich konnte Stella sich genau vorstellen, wie er später einmal aussehen würde – ein geradezu lächerliches Abziehbild jenes Mannes, der auf der Piazza das Wort ergriffen hatte.
Dann spähte sie nach unten. Carlos neue Schuhe waren von Pferdemist besudelt. Er schien es nicht mehr wichtig zu finden, sie sauber zu halten, so sehr hatte er sich bereits aufgegeben.
Was wollte er wirklich von ihr? Unwillkürlich war sie ein Stück zurückgewichen.
»Du glaubst mir nicht, Stella? Aber du musst!« Er starrte auf ihre Hand. »Du trägst ja den Ring nicht mehr! Wie kommst du dazu, meinen Ring abzulegen?«
»Ich muss gar nichts, Carlo«, sagte sie müde. »Und deinen Ring kannst du gerne zurückhaben. Ich hätte niemals herkommen sollen, nicht einmal Ilaria zuliebe. Ich kann nicht mehr deine Frau werden, das wissen wir beide. Nicht mehr nach dem, was heute auf der Piazza geschehen ist. Lass uns die schreckliche Angelegenheit mit einem Rest Würde zu Ende bringen – um unsretwillen!«
Er streckte die Hand aus, doch sie tat, als würde sie sie nicht bemerken.
Sein Gesicht verzog sich.
»Ach, jetzt ekelt es meiner keuschen kleinen Braut sogar schon vor mir! Doch wer sagt dir denn, dass du auch nur ein Stück besser bist? Und selbst wenn ich ein Bastard wäre, welch brünstige Leiber mögen dich einst gezeugt haben? In unkeuscher Lust, wovon du mit Sicherheit ausgehen kannst, nicht im Ehebett, sonst hätte man sich deiner ja wohl kaum heimlich entledigt wie eines stinkenden Lumpenbündels, das man so schnell wie möglich loswerden wollte.«
Stella hatte nicht mehr weinen wollen. Doch jetzt spürte sie, wie erneut Tränen in ihre Augen stiegen.
»Du bist gemein«, flüsterte sie. »Hau ab! Ich will dich nie wieder sehen.«
»Das, meine Schöne, wirst nicht du zu entscheiden haben.«
Er packte ihr Handgelenk, zwang es nach hinten. Woher auf einmal das Seil kam, das sich rau darum legte, wusste Stella nicht, doch plötzlich waren ihre Hände auf dem Rücken gefesselt.
»Mach mich los!«, sagte sie. »Auf der Stelle, sonst schreie ich das ganze Haus zusammen!«
Carlo lachte.
»Wenn du unbedingt meinst, bitte schön!« Mit einer Hand sperrte er ihren Mund grob auf und stopfte mit der anderen ein Leinentuch hinein. »Aber bitte laut, sonst wird dich niemand hören.«
Sie würgte, trat nach ihm, wütend, voll ohnmächtigem Zorn, was ihn nur noch mehr zum Lachen reizte.
Wie ein Ziegenhirt, der flüchtende Tiere einfangen will, ließ er ein zweites Seil geschickt vor Stellas Augen auf und ab tanzen.
Was hatte er vor?
Ein Teil von ihr wusste es genau. In ihr lauerte nur noch blanke Angst.
Wie zufällig traf das Seil mehrmals ihre Schenkel, was schmerzte und sie zusammenzucken ließ. Dann bückte er sich, schlang es um ihre Fesseln und verknotete es sorgfältig, wobei er auf einen gewissen Abstand zwischen ihren Beinen achtete.
»Du solltest lieber lächeln, Stella.« Sein Gesicht war auf einmal ganz nah. »Denn das hier wird unsere Hochzeitsnacht. «
Scheinbar ganz gelassen, versetzte er ihr einen plötzlichen Stoß, der ihr das Gleichgewicht raubte. Rücklings landete sie auf den Heuballen.
Carlo legte sich neben sie, streichelte ihre Wangen, ihren Hals, dann glitt seine Hand tiefer und legte sich besitzergreifend auf ihre Brust.
»Wenn ich erst einmal mit dir fertig bin, wird Vasco Lucarelli mich auf Knien um eine Heirat anflehen«, murmelte er.
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