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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sein Schicksal, Kind. Davor kannst und darfst du deine Schwester nicht bewahren.«
    Das Gitter schloss sich wieder.
    Ilaria hörte Schritte, die sich eilig entfernten. Sie wollte der einstigen Amme sofort hinterher, doch als sie aus dem Beichtstuhl stürzte, lief sie direkt in Padre Paolo hinein.
    »Ihr wolltet zu mir, Signorina Lucarelli?« Er begann erwartungsvoll
zu lächeln. »Dann kommt! Gott erwartet bereits die fromme Braut.«
    Ilaria ließ den Schlüssel in ihr Mieder gleiten und folgte ihm zähneknirschend zurück in den Beichtstuhl.

    Wieder einmal hatte Leo es fast schon ungebührlich eilig gehabt, San Damiano zu verlassen, und er atmete auf, als die Klosterpforten sich hinter ihm geschlossen hatten. Innerlich fühlte er sich wie ausgehöhlt, so hungrig und durstig war er auf einmal, als sei ihm die kompromisslose Kargheit, der er stundenlang ausgesetzt gewesen war, tief ins Fleisch gekrochen.
    Fidelis bewegte den Schweif und empfing ihn schnaubend. Er lehnte seinen Kopf an ihren Hals, was sie ganz besonders mochte, und verharrte in dieser Stellung, bis die Sonne wie ein glühender Ball im Westen versunken war. Dann ritten sie zurück in die Stadt.
    Als Erstes brachte er Fidelis in den Stall, sattelte sie ab und sah, wie freudig Ilarias rotbraune Stute ihre Gefährtin begrüßte. Fidelis würde für die Zeit seiner Abwesenheit hier gut aufgehoben sein, das hatte Vasco Lucarelli ihm versprochen, der auch ab und zu mit ihr ausreiten wollte, sobald die Hochzeitsfeierlichkeiten vorbei waren.
    Leo konnte einfach noch nicht hinauf in sein Zimmer gehen, so groß war die Unruhe in ihm. Er lief durch die abendlichen Gassen, bis er schließlich vor der Taverne mit dem Torbogen angelangt war, und trat nach kurzem Zögern ein.
    Wieder waren viele Bänke besetzt, doch in einer Nische entdeckte er einen leeren Tisch, der auf ihn zu warten schien. Erst nachdem die Wirtin ihm einen Krug Wein
und mit Oliven geschmortes Kaninchen gebracht hatte, fasste er in seinen Beutel und zog seine Fundstücke heraus.
    Das Glatte war eine helle Kugel, feinstes Elfenbein, wie Leo erkannte, der das kostbare Material von dem Kreuz in der Ulmer Klosterkapelle her kannte. Teil eines Rosenkranzes?
    Er entschied sich gegen diese Annahme. Dafür erschien ihm die Kugel oder Perle zu groß. Nachdenklich drehte Leo sie zwischen den Fingerkuppen, die plötzlich kleine Unebenheiten ertasteten.
    Er zog die Kerze näher, hielt die Kugel davor. Die Zeichen waren so winzig, dass er die Augen zusammenkneifen musste, um sie überhaupt erkennen zu können. Nach dem fünften Versuch gelang es ihm schließlich.
    PER MAGDALENA , las er. AMORE MIO.
    Leos Nacken begann zu brennen, als wäre er in flüssiges Feuer getaucht, während er das zweite Fundstück näher studierte: ein unscheinbares Stück Pergament, kaum größer als sein Daumennagel. Deutlich war zu sehen, wo jemand ein Messer angesetzt haben musste, um es nicht sonderlich gekonnt sauber zu schaben. Die Tinte war leider verwischt. Lediglich zwei Buchstaben konnte er entziffern: re .
    Was alles und nichts bedeuten konnte.
    Doch der Fund bewies in seinen Augen, dass Magdalena so etwas wie ein heimliches Buch besessen hatte – in das sie geschrieben hatte, genauso wie die junge Amata es vermutete.
    Aber wenn es sich nicht im Kloster befand, wie er die ganze Zeit fest angenommen hatte, wo konnte es dann sein? Hatte Magdalena das Buch mit nach draußen genommen? War es womöglich sogar ihrem Mörder, so es denn einen gab, in die Hände gefallen, und dieses Fitzelchen vor ihm war alles, was davon übrig geblieben war?

    Der Wein, den Leo zunächst mit Genuss getrunken hatte, schmeckte auf einmal schal, und auch den gut gewürzten Kaninchenbraten mochte er nicht mehr zu Ende essen. Er schob beides zurück, vergewisserte sich, dass die Fundstücke erneut sicher verwahrt waren, warf ein paar Münzen auf den Tisch und ging nach draußen.

    Niemals zuvor war sie so hungrig gewesen, doch Stella war nicht bereit nachzugeben. Dabei hatte der Duft der gebratenen Hühnerschenkel, die Simonetta kurz in ihr Gefängnis gebracht hatte, um sie schwach werden zu lassen, so viel Speichel in ihrem Mund gesammelt, dass sie fürchtete, im nächsten Augenblick wie eine zahnlose Greisin zu sabbern.
    »Das alles könnte schon bald in deinen Magen wandern. « Die keifende Stimme ihrer Ziehmutter hatte sie noch immer im Ohr. »Wenn du nur endlich bereit wärst, Vernunft anzunehmen. Das Kloster ist die einzige Lösung, Stella!

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