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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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kurzen Zeiten zwischen den Gebeten verrichteten, brachten offenbar so wenig ein, dass sie damit nicht einmal die Hälfte des Brotbedarfs decken konnten.
    Erst recht im Schlafraum musste er die Zähne fest aufeinanderbeißen, um sich des Kommentars zu enthalten, der ihm beinahe entschlüpft wäre. Sie schliefen auf Steinen, über die nur ein hartes Holzbrett gelegt war. Eine hauchdünne Strohschicht war darauf gebreitet und sicherlich seit dem vergangenen Winter nicht mehr gewechselt worden, wie seine empfindliche Nase ihm verriet. Zum Zudecken dienten zerschlissene Pferdedecken, so alt und kratzig, dass er sie selbst Fidelis allenfalls im Notfall zugemutet hätte.
    Unter einer entdeckte er eine blutverkrustete Geißel, die er schnell wieder zurückschob. Dieser in seinen Augen übertriebene Akt der Selbstkasteiung, zu dem manche Brüder und, wie er nun feststellen musste, offenbar auch Schwestern griffen, war ihm regelrecht zuwider, auch wenn manche behaupteten, sogar Franziskus habe ihn gelegentlich gepflegt.

    »Hat Suor Magdalena hier geschlafen?«, fragte er leise, da sein Kribbeln sich verstärkt hatte.
    »Vor vielen Jahren einmal«, sagte Regula. »Und als sie dann wieder kam …« Sie verstummte.
    »Woher kam sie denn?«, hakte Leo augenblicklich nach. »War sie auf Reisen? Was mich allerdings wundern würde, denn ich dachte, für euch alle hier herrscht strengste Klausur.«
    »Von der Krankenstation.« Regulas Miene verriet, dass dies das Äußerste an Einblick war, was sie preiszugeben bereit war. »In letzter Zeit war ihr Platz hier.«
    Sie deutete auf die Stelle direkt neben der Wand, was eigentlich nicht mehr nötig gewesen wäre, denn die Graue hatte sich auf der schäbigen Decke eingeringelt und begann angesichts der unerwarteten Besucher herzhaft zu gähnen.
    Der schlechteste Platz im ganzen Dormitorium, dachte Leo unwillkürlich. Die dicke Wand speicherte die Kälte des Winters und die Hitze des Sommers. Sie machte während der kalten Monate das trostlose Lager noch unwirtlicher, und in der heißen Jahreszeit schwitzte man hier mehr als anderswo.
    Ob Magdalena freiwillig hier gelegen hatte? Zumindest hatte die Katze sich ihrer erbarmt und ihr ein wenig an Zuneigung und Zärtlichkeit geschenkt.
    Allerdings schien ihm die Strohschicht ausgerechnet an diesem Platz einen Deut dicker zu sein, und sie roch auch nicht ganz so streng, wie er feststellte, als er sich schnuppernd darüberbeugte. Inzwischen hatte er das Gefühl, als säßen Ameisen in seinem Nacken. Er ahnte, nein, er wusste, dass er gleich auf etwas stoßen würde.
    Leo streckte sich, um unter dem Stroh ganz nach hinten zu gelangen, bis seine Finger zunächst etwas Glattes und
gleich dahinter etwas Raues ertasteten. Beides zog er vorsichtig heraus.
    War die Graue seine Verbündete? Jedenfalls schienen seine beiden grimmigen Wächterinnen durch das Tier abgelenkt, das sich genüsslich streckte und anschließend einen ordentlichen Katzenbuckel machte, ein Umstand, den er zu nutzen wusste. Beide Fundstücke wanderten unauffällig in den kleinen Beutel an der Innenseite seiner Kutte, wo er neben dem Schreiben von Bruder Johannes auch seinen schlichten hölzernen Rosenkranz nahe dem Herzen verwahrte.
    »Hier ist auch kein Buch«, sagte Leo. »Leider!«
    Suor Regula gab ein Geräusch von sich, das fast wie Lachen klang. »Hab ich dich nicht vor Amatas Überempfindlichkeit gewarnt?«, rief sie triumphierend, während Benedetta so stumm blieb wie bisher. »Diese Kleine besitzt einfach zu viel Fantasie! Demnächst wird sie noch behaupten, ihr sei beim Kräuterpflücken ein Engel erschienen. Auf diesen Tag warte ich schon.«
    Leo drehte sich langsam zu ihr um. »Ich weiß noch nicht, was hier Wahrheit ist und was Lüge«, sagte er leise. »Aber ich werde es herausfinden. Verlass dich darauf!«

    Ilaria mochte den Beichtstuhl in San Rufino, den neuartigen, in dem einen nicht nur ein dicht gewebter dunkler Stoff vor den neugierigen Blicken der Wartenden im Kirchenschiff verbarg, die ebenfalls ihre Seelen erleichtern wollten, sondern in dem man auch durch ein filigranes Holzgitter vom Priester getrennt war, dem man die Sünden zu gestehen hatte. Es war dämmrig zwischen den hölzernen Wänden. Sie hatte sich in die Kirche geflüchtet, um
endlich dem unentwegten Lamentieren ihrer Mutter zu entgehen. Aber auch Stellas trauriges Gesicht versuchte sie mit aller Macht aus ihrem Gedächtnis zu löschen. Sie liebte ihre Schwester, hatte sie immer geliebt – und

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