Braut von Assisi
meiner Lage.«
Ilaria schien zu zögern. »Du meinst den Schlüssel?«, fragte sie gepresst. »Mamma bewacht ihn argwöhnischer als ihr kostbarstes Collier. Vielleicht irgendwann später, wenn alle zusammen ausgelassen feiern und niemand …« Sie begann an ihrem Ärmel zu nesteln, obwohl der Stoff
dort glatt war. »Selbst dann wüsste ich allerdings nicht, wie ich unauffällig in seinen Besitz gelangen sollte.«
Was war los mit ihr? So matt und verdruckst war Ilaria doch sonst nur, wenn sie etwas auf dem Kerbholz hatte. Argwohn streifte Stella, doch sie wehrte sich dagegen. Auch noch den letzten Menschen zu verlieren, dem sie vertrauen konnte, wollte sie sich nicht einmal vorstellen. Sie schob das seltsame Verhalten der Schwester auf diesen außergewöhnlichen Tag.
»An eure Hochzeitstafel darf ich nicht«, sagte sie. »Nicht einmal für ein paar Stunden! Solche Angst haben sie vor dem Gerede der Leute. ›Unsere zweite Tochter sammelt sich für ihren baldigen Klostereintritt im stillen Gebet‹ – diesen Bären werden sie den Gästen sicherlich auf die Nase binden, falls überhaupt jemand nach mir fragen sollte.«
»Aber doch nur, weil du dich so unglaublich stur anstellen musst!«, rief Ilaria hitzig. »Wäre ich du, so hätte ich mich nach außen hin mit allem einverstanden erklärt, allein schon, um Zeit zu gewinnen. Später, wenn die ganze Aufregung sich erst einmal gelegt hat, sieht alles vielleicht schon ganz anders aus.«
»Aber du bist nicht ich«, sagte Stella und konzentrierte sich abermals auf das Kleid. »Und aus Klostermauern zu entkommen ist etwas anderes, als seinen Vater zu beschwatzen, den Hausarrest abzukürzen. Davon hast du keine Ahnung, Ilaria! Also hör lieber auf, darüber zu schwatzen!«
»Wir beide sind nun mal sehr verschieden«, sagte Ilaria hörbar erleichtert. »Seit jeher.«
Eine Weile blieb es still im Raum.
Sonnenlicht fiel auf die ghirlanda , deren goldene Perlen, Blätter und Emailleblüten wie um die Wette schimmerten. Stella hatte sie behutsam auf dem Tisch abgelegt. Bald würde sie Ilarias schönen, eigensinnigen Kopf schmücken
und sie wie eine Königin aussehen lassen. Sie hatte erreicht, was sie sich am meisten gewünscht hatte: Federicos Frau zu werden.
Doch welches Schicksal stand ihr selbst bevor? Der Gedanke schoss so schnell in Stellas Kopf, dass ihr keine Zeit mehr blieb, ihn zu zensieren.
»Ist Padre Leo eigentlich schon aufgebrochen?«, fragte sie so gleichmütig wie möglich.
Ilaria mied ihren Blick.
»Er ist fort?« Stellas Stimme klang auf einmal dünn. »Mit Fidelis und allem, was dazugehört? Seit wann?«
»Er ist weg – ja. Seit gestern, glaube ich. Oder war es doch schon vorgestern? Gottlob ist er das, wenn du meine Meinung hören willst, denn durcheinandergebracht hat dieser Mann dich ja bereits mehr als genug. Seine Stute steht allerdings noch immer in Papàs Stall. Vielleicht hat er nur einen kurzen Ausflug vor und ist schneller zurück, als wir erwarten.«
»Ich glaube, ich weiß, wohin er gegangen ist«, murmelte Stella. »Für ihn gibt es nur diesen einen Weg.«
Ilaria wandte sich zu ihr um. »Was kümmert dich das alles überhaupt? Schlag ihn dir so oder so aus dem Kopf, sorellina ! Dieser Mann gehört der Kirche, selbst wenn du das nicht hören willst. Was immer auch geschehen mag, ihr beide könntet doch niemals …«
»Und jetzt dreh dich!«, befahl Stella brüsk, um das Thema zu wechseln. »Und bloß nicht zu schnell! Ich will sehen, ob der Saum gut fällt oder wieder dein Unterrock hervorblitzt. «
Ilaria gehorchte und begann, sich um die eigene Achse zu drehen, zunächst langsam und bedächtig, dann immer schneller.
»Ich tanze«, rief sie. »Siehst du nicht, wie ich tanze?
Bis in den Himmel hinein werde ich heute tanzen!« Sie stampfte so ausgelassen dabei, dass die alten Dielenbretter knarrten.
Plötzlich hörte Stella etwas zu Boden fallen, das metallisch klang. Unwillkürlich stellte sie ihren Fuß darauf. Ihre Kehle wurde plötzlich eng.
Woher kam es? Etwa aus Ilarias Mieder?
Ihre Schuhsohle war zwar abgelaufen, aber leider nicht dünn genug, um den Gegenstand darunter genau bestimmen zu können.
»Seid ihr endlich fertig?« Plötzlich stand Simonetta in der Tür, bereits festlich herausgeputzt in schwerer moosgrüner Seide, das Gesicht hochrot vor Aufregung und Hitze. Heute trug sie die Haube der verheirateten Frauen, was sie matronenhafter als sonst wirken ließ. »Das dauert ja eine halbe Ewigkeit!«
»Nicht schon
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