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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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…«
    »Wer bin ich?«, unterbrach Stella sie. »Sag es mir! Ich habe ein Recht darauf.«
    »Ein Hurenbalg der allerschlimmsten Sorte!«
    Simonetta stieß sie über die Schwelle des Ammenzimmers und schlug die Tür hinter ihr zu. Das Geräusch des Schlüssels, der zweimal umgedreht wurde. Schritte, die sich so eilig entfernten, als versuche die Ziehmutter, ihre unsterbliche Seele in Sicherheit zu bringen.
    Stella wartete, bis draußen alles wieder ruhig war und sie nur noch die vertrauten Geräusche hören konnte, die aus der Küche drangen, wo unermüdlich für die Hochzeitstafel gekocht und gebrutzelt wurde. Dann erst langte sie in ihren Ärmel und zog vorsichtig den Schlüssel heraus. Schwer lag er in ihrer Hand, seltsam verfärbt, als habe er lange irgendwo verborgen geruht. Aber er glänzte. Hatte jemand ihn erst unlängst sorgfältig geölt?
    Ihre Finger zitterten, als sie ihn in das Schlüsselloch steckten. Er passte perfekt, ließ sich mühelos hin und her drehen.
    Die Erkenntnis überfiel Stella schlagartig, und sie war mehr als schmerzlich. Ilaria musste ihn im Mieder versteckt gehabt und bei ihrem übermütigen Tanzen verloren haben. Ihre heiß geliebte Schwester Ilaria – die demnach sehr wohl die Möglichkeit gehabt hätte, sie jederzeit aus ihrem Gefängnis zu befreien!
    Stella lehnte sich an das raue Holz und begann bitterlich zu weinen.

    Leo erbrach ein dünnes, gelbliches Rinnsal, als es wieder hell vor seinen Augen wurde. Sein Schädel dröhnte, schlimmer jedoch waren die Schmerzen in seinem linken Bein. Er brauchte eine ganze Weile, um sich aufzusetzen.
    Dann griff er in seine Kutte und zog den Beutel heraus. Die gefaltete Karte befand sich noch an ihrem Platz, ebenso sein Rosenkranz, die Elfenbeinkugel und das kleine Pergamentstück, das war das Allerwichtigste. Leo atmete tief aus. Offenbar hatte sich niemand an seinem Versteck unter der Kutte zu schaffen gemacht. Und dennoch musste jemand in seiner Nähe gewesen sein, denn eine Armlänge entfernt entdeckte er auf dem staubigen Weg ein Stück Brot und ein Stück Wurst, auf dem sich allerdings bereits ein Schwarm Fliegen niedergelassen hatte.
    Er zwang sich, die Bisswunde genau anzusehen, obwohl ihm vor diesem Anblick graute. Die Ränder erschienen ihm leicht angetrocknet, in der Mitte jedoch klaffte sie auf wie ein blutiges Maul. Was hätte er jetzt nicht alles für seine Satteltaschen gegeben, in denen unter anderem auch Verbandszeug steckte! Bruder Anselm hatte ihn vor der Abreise regelrecht dazu gezwungen, einen kleinen Vorrat an sauberen Leinenbinden mitzunehmen. Doch sie waren in Assisi ebenso wie die treue Fidelis, die er jetzt so gut hätte gebrauchen können, um sein verletztes Bein zu schonen und dennoch weiterzukommen.
    Er musste die Wunde bedecken und dann zusehen, möglichst schnell einen Bader aufzutun, der sich ihrer annahm. Doch wie sollte er das in seinem jämmerlichen Zustand bewerkstelligen – ohne die schäbigste Kupfermünze? Jede Bewegung fiel ihm unendlich schwer.
    Leo schaute nach links und rechts. Alles verlassen, als wohne hier keine Menschenseele, obwohl die Essensspende, die er auf dem Weg gefunden hatte, das Gegenteil sagte.
Doch wer auch immer sie ihm hatte zukommen lassen, er wollte sich offenbar nicht zeigen.
    Leo hatte keine andere Wahl, als mühsam einen Streifen von der Kutte zu reißen und ihn um die Wunde zu binden. Noch im Sitzen griff er nach dem Brotkanten und schlang ihn hinunter. Die fliegenbedeckte Wurst vermochte er trotz seines Hungers nicht anzurühren, doch er nahm ein paar Schlucke aus seinem ledernen Wasserbeutel.
    Danach rappelte er sich schwerfällig auf. Die ersten Schritte waren reinste Tortur. In seinem Bein brannte und stach es, und schon bald war der Fetzen, mit dem er die Wunde verbunden hatte, dunkel vor Blut. Doch nach und nach gewöhnte Leo sich daran, wenngleich er nun sehr langsam vorankam.
    Montefalco. Diesen Namen sagte er sich immer wieder vor wie ein Gebet. Dort würde er Hilfe finden. Und einen Platz, um auszuruhen und wieder gesund zu werden. Montefalco – was nichts anderes bedeuten konnte als »Falkenberg« und damit ganz ähnlich wie der Name der väterlichen Burg klang, auf der er geboren und aufgewachsen war.
    Eine Weile trug der vertraute Name ihn voran wie eine Verheißung, der er schwerfällig hinterherhumpelte, aber er spürte, wie seine Kräfte immer mehr nachließen. Ob sich schon jene Giftstoffe in der Wunde breitmachten, die sie schließlich faulig werden und

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