Braut wider Willen
brauchst du nicht“, meinte er rau.
„Doch.“
„Es ist zehn Jahre her. Du warst damals noch ein Kind.“
Ihr kamen fast die Tränen bei der Vorstellung, welche Schmerzen er gehabt haben musste. Und dennoch hatte er sie nicht verraten.
„Warum hast du allen erzählt, du seist gestürzt?“ Ihre Stimme bebte unmerklich. „Warum hast du ihnen nicht die Wahrheit gesagt?“
„Wozu?“, fragte Kane. „Ich habe dich provoziert, und du hast zurückgeschlagen. Also waren wir quitt.“
Aber das waren sie nicht gewesen. Er war zurückgekehrt, um sie und Mercyfields zu bekommen.
„Außerdem hatte mein Stolz schon genug gelitten“, fuhr er fort. „Was meinst du, wie die Leute mich aufgezogen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass du mich mit einem Stein geschlagen hast?“
Bestürzt biss Bryony sich auf die Lippe. „Das viele Blut …“
„Es war kein schöner Anblick“, bestätigte Kane.
„Ich hätte es verdient, wenn du mich verpetzt hättest.“
„Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, Bryony.“ Nun löste er sich von ihr. „Fast jeder zieht sich im Lauf seines Lebens einige Narben zu. Meine ist deutlich sichtbar, aber viele Menschen haben viel größere, allerdings seelische, und die sind wesentlich schlimmer.“
Das konnte sie sich lebhaft vorstellen. Hatte sie nicht auch Wunden, die niemand zu heilen vermochte?
„Schlaf gut.“ Nachdem Kane ihr flüchtig über die Wange gestrichen hatte, ging er die Verandastufen hinunter über den Rasen.
Starr blickte Bryony ihm nach, bis er zwischen den Bäumen verschwand.
In der Ferne glitzerte das Wasser im Licht der untergehenden Sonne. Die Lichtstrahlen berührten die Oberfläche, als wollten sie die Geheimnisse aufdecken, die der See barg.
6. KAPITEL
Statt zu baden, duschte Bryony schnell und ging kurz darauf ins Bett. Sie rechnete damit, dass sie sich stundenlang hin und her wälzen würde, doch als sie am nächsten Morgen vom Gesang der Vögel in den Gummibäumen im Garten geweckt wurde, merkte sie, wie erschöpft sie gewesen sein musste.
Sie war angezogen, bevor Kane an ihre Tür klopfte.
„Aufstehen, Bryony.“
„Ich bin auf“, rief sie und strich die Bettdecke glatt, bevor sie die Tasche nahm, die sie bereits am Vortag gepackt hatte.
Der Motor seines Wagens lief bereits, und Kane hatte den Kofferraum geöffnet, um ihr Gepäck einzuladen. Beim Anblick ihrer Tasche zog er ironisch eine Augenbraue hoch.
„Reist du diesmal mit leichtem Gepäck?“
Bryony nickte.
Wenige Minuten später lenkte er das Auto die lange, gewundene Auffahrt entlang. Sie saß schweigend neben ihm. Tausend Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Warum hatte er sie letzte Nacht in Ruhe gelassen? War der Vollzug der Ehe nicht Teil seines Racheplans? Und warum fuhr er mit ihr in die Flitterwochen, wenn er nicht mit ihr schlafen wollte?
Oder quälte er sie bewusst, indem er den Zeitpunkt so lange wie möglich hinauszögerte und ihre Angst dadurch verstärkte? Bryony versuchte, die aufsteigende Panik zu verdrängen und die Aussicht zu genießen, als sie weiter die Küste entlangfuhren. Kane hatte offenbar keine Lust, sich zu unterhalten, denn er beschränkte sich auf einige wenige Bemerkungen.Das machte sie zunehmend wütender.
Nach ungefähr einer Stunde bog er links in eine staubige Straße ab, die ins Nirgendwo zu führen schien. Sie warf ihm einen Blick zu, aber er konzentrierte sich darauf, um die zahlreichen Schlaglöcher herumzusteuern.
„Wohin fahren wir?“, erkundigte sie sich schließlich.
Kane nahm kurz den Fuß vom Gas, um durch ein großes Schlagloch zu fahren. „Es ist nicht mehr weit. Warte ab. Die Aussicht ist fantastisch.“
Wenige Minuten später musste Bryony ihm recht geben.
Das blaue Meer erstreckte sich bis zum Horizont. In der Ferne erhob sich eine felsige Insel aus dem Wasser, und unterhalb der Klippe erstreckte sich ein langer weißer Sandstrand.
„Es ist … schön …“
„Und es wird noch besser.“ Kane stieg aus und kam um den Wagen herum, doch Bryony war bereits herausgesprungen und atmete tief die salzige Luft ein.
„Wie hast du diese Stelle gefunden?“ Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn strahlend an.
„Sie ist auf der Landkarte zu finden“, erwiderte er ausweichend.
Da sie nicht nachhaken wollte, genoss sie stattdessen die Aussicht. „Ich liebe das Rauschen des Meeres. Es ist so … kraftvoll.“
Die Wellen, die unten an den Strand schlugen, bestätigten ihre Worte. Bryony ging zur Klippe, um aufs Wasser zu
Weitere Kostenlose Bücher