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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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schließlich noch lebte und sie brauchte. Dann lächelte sie einsichtig, tat aber nichts.
    »Und du?«, fragte Ada. Er machte eine unwillige Bewegung. Na ja, wie das eben so läuft, die Schule fertig gemacht und danach auf die koloniale Landwirtschaftsschule in Deventer gegangen. Sein Wunsch war, so schnell wie möglich zurück nach Indonesien zu gehen – das aber keine Kolonie mehr war. Als das also nicht ging, dachte er … »Ja, das weiß ich«, unterbrach sie ihn, »aber ich meine etwas anderes.«
    Er schwieg.
    Sie sah, wie sich seine Muskeln spannten, wie sie trotz des warmen Wassers stramm und kalt wurden.
    »Ich wollte sie glücklich machen«, sagte er. »Ich habe es wirklich versucht. Ich war der aufmerksamste Sohn, den man sich vorstellen kann. Wenn sie wieder einmal nicht aß, blieb ich so lange am Tisch sitzen und machte Scherze, bis sie wenigstens ein paar Bissen zu sich nahm. Wir liefen auf Zehenspitzen durchs Haus, mein Großvater, meine Großmutter und ich. Wir brachten ihr Blumen mit. Ich war sechzehn, achtzehn, doch jeden Tag fuhr ich nach der Schule mit dem Rad direkt nach Hause, damit sie nicht allein war. Und dann sprach ich mit ihr, erzählte lustige Anekdoten, die ich meistens erfand, denn so viel Lustiges passierte nicht in meinem Leben. Eines Tages erschien sie nicht zum Frühstück. Von da an verließ sie ihr Zimmer nicht mehr. Zwar zog sie sich noch an, doch den Rest des Tages blieb sie stumm auf der Bettkante sitzen, wie die Statue einer träumerischen Frau.«
    Er schwieg. Sie wartete.
    »Und du?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Ich hatte allmählich genug davon«, sagte er grollend, »sie erschien nicht mal zu meiner Examensfeier.«
    In Deventer wohnte Frank dann in einem Zimmer im Haus seiner Tante und seines Onkels, und die Besuche bei ihr wurden weniger. Dann gab es einen sehr strengen Winter. Es fror. Jeder sagte, dass sie nicht fahren sollte, doch sie tat es trotzdem.
    »Ich denke, das Motorradfahren gab ihr irgendwie Trost.«
    »Was ist passiert?«, fragte Ada.
    Er schnaubte, ließ sich ins Wasser gleiten und stützte sich mit dem Kopf auf den Rand der Badewanne. Unter seinen halb geschlossenen Augenlidern hindurch sah er in eine andere Zeit. Zum ersten Mal fiel ihr auf, wie müde er war. Sie fragte sich, ob er normalerweise auch so wenig schlief. Unter Wasser legte sie ihre Hände um seine Waden und strich sanft über die kleinen Härchen.
    »Sie haben sie im Naardermeer gefunden. Sie war aufs Eis hinausgefahren. Ein Spaziergänger hatte gesehen, wie es passiert war. Zielgerichtet, hat er später der Polizei gesagt, sie sei zielgerichtet auf den See hinausgefahren, in einem atemberaubenden Tempo. Kilometerweise schlitterte sie weiter. Der Mann hörte, wie das Eis in langen Rissen brach, und dann sackte sie mit dem Motorrad in die Tiefe.«
    Frank ließ sich noch weiter ins Wasser hinabgleiten und stieß dabei lustige Blasen aus seinem Mund aus, blubb, blubb, blubb. Ada war befremdet. Dann kam er wieder an die Oberfläche, mit zusammengekniffenen Augen, weil das Wasser in den Augen biss. »Man hat lange nach ihr gesucht. Ich wurde aus Deventer heranzitiert, um sie zu identifizieren. Unter dem Motorradanzug trug sie eine Weste meines Vaters, aus der Zeit, bevor wir nach Indonesien gegangen waren.« Frank strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht, schlug die Augen auf und sah Ada direkt an.
    »Und dann war ich frei.«
    Irgendwie sind wir doch wirklich alle versehrt hierhergekommen. Er spritzte Wasser in ihre Richtung. »Es ist lange her, Ada«, sagte er warnend.
    Das Wasser wurde kalt. Sie beugte sich vor, um den Stöpsel herauszuziehen.
     
    Abends legte er für sie Platten auf, nannte Namen von Musikern und erzählte, warum ihm dieses oder jenes Buch so gut gefallen hatte. Sie stand weiter unter Strom, verspürte keinerlei Müdigkeit. Unterdessen bereitete er ihr Gerichte mit Kräutern und Gewürzen zu, von denen sie noch nie gehört hatte. Er befragte sie zu Begebenheiten in ihrem Leben und lauschte andächtig ihren Antworten. »Du bist sehr reich«, sagte er, »du langweilst dich nie, und du hast einen Körper, mit dem du einen Mann glücklich machen kannst.« Stolz und gestärkt lief sie zum Plattenspieler und suchte die nächste Platte aus, John Coltrane,
A Love Supreme
. Kenne ich nicht, möchte ich gerne kennenlernen. Ada war erfüllt von einer nicht enden wollenden Energie, bereit, ihrem Leben Stromstöße von Kultur, Lebenslust und Glück einzuimpfen. Es war einfach

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