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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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legte ein langes Kabel bis zum Schlafzimmer und stellte den Plattenspieler neben ihr Bett. Er flüsterte ihr Geschichten ins Ohr, von Musik untermalt, über Zusammentreffen von Fremden in heißem Sand, Geschichten, die etwas schleppend begannen und immer gleich endeten. Ada, das Kind, das Märchen liebte, kam endlich dort an, wo sie hingehörte, nämlich in den Armen eben dieser Fabelfigur. Morgen, murmelte sie beim Einschlafen und rieb ihren königlichen Hintern an seinen Hüften, morgen fahre ich ab.
     
    Immer wieder schrak sie mitten in der Nacht auf, weil Danny sie rief, Mum, heulte er schrill und kreischend, fast erstickend in seinem Schnodder, weil Derk ihm sein
Raggie
nicht geben wollte – dafür bist du zu groß – und sie nicht da war, um ihm heimlich den schmuddeligen Lappen zu reichen, in dem für ihn alle vertrauten Gerüche versammelt waren. Gib es ihm, flehte sie, bitte, bitte, und ihre Tränen tropften still in ihr Kissen.
     
    Jeden Tag vergrößerte sich die Chance, dass Derk auftauchen würde. Nein, sagte sie sich, das macht er nicht, dafür ist er zu stolz. Und zu ängstlich. Aber den Schmerz über die Kinder konnte sie nicht verdrängen. Zusammen mit dem Verlangen nach ihnen kam ihr auch der Gedanke an den Bunker, an ihre Ehe und den nahenden Abschied. In dieser Woche versuchte sie, so gut es ging, all das nicht zu sehen, denn sie wollte es nicht mit dem anderen vermischen. Sie wollte diese Tage auswringen bis zum letzten Tropfen, bis zur letzten Sekunde. Ihre Geschichte hatte sie schon deutlich im Kopf, sie hatte sich schon alles fein säuberlich zurechtgelegt: die Einrichtung des Hotels in Christchurch – wenn man hereinkommt, ist gleich rechts nach der Bleiglastür der Frühstücksraum für die Gäste, auf dem Flur riecht man schon den Schinken und die Spiegeleier, und links in der Sitzecke mit dem durchgesessenen alten Ledersofa, auf dem auch das Telefon steht, nun ja, wir haben natürlich kein Telefon, sonst hätte ich dich ja anrufen können. Später, sollte sie jemals mit Derk nach Christchurch kommen, würde sie dieses Hotel dann nicht mehr finden, sie hätte dann vergessen, wo es war. Ihre Geschichte vor Gott würde komplizierter werden, doch da er ohnehin alles sah und durchblickte, würde Gott auch wissen, dass diese Woche für alle nur das Beste war, dass sie ihr Leben zu Hause verbessern würde. Das war sogar beinahe wahr, außer dass diese Woche dann wohl eigentlich ein großes, persönliches Opfer hätte sein müssen. Darüber würde sie noch einmal länger nachdenken müssen, aber nicht jetzt.
     
    Wenn sie keine Lust mehr hatte zu lesen und Frank noch nicht zurück war, stromerte sie auf dem Weinberg herum, noch keine dreißig, barfuß – und sogar ohne Unterwäsche unter ihrem Kleid, da ihre ganzen Sachen in der Wäsche waren. Die Sonne schien durch die bunten Streifen ihres Rockes hindurch und erinnerte sie daran, wie sie als Kind unter dem Rock ihrer Mutter ein fröhliches Zirkuszelt gesehen hatte. Sie erinnerte sich an den Schlag danach und hatte das Gefühl, eine bessere Mutter zu sein, ein besserer Mensch. Doch wenn Frank länger wegblieb, fiel ihr das Herumstromern schwerer. Manchmal ertappte sie sich dabei, und es wurde lächerlich. Ich tue so unbesonnen, doch das bin ich nicht. Dann beschlich sie die Angst, dass sie diese Woche nicht für den Rest ihres Lebens würde mitnehmen können, dass die tägliche Plackerei und der Kampf gegen den starken Wind wieder die Oberhand gewinnen könnten. Dann sah sie in Gedanken ihre Mutter, wie sie auf den Knien den Boden schrubbte, schweigend, mit schmalen, verkniffenen Lippen. Was wischte und putzte sie nur immer? Stöhnend, sich ständig selbst kasteiend, führte sie ein armseliges Leben voll Verbitterung, und das nicht nur aus Geldmangel, sondern weil es in ihrem Kopf so eng war. In diesen Momenten sprang Ada die Angst dann regelrecht an und drückte sie nieder. Sie ging zurück, ich bin genau wie sie, dachte sie niedergeschlagen. Was ich will, das kann ich nicht. Meine Arme sind zu kurz. Das darf man nicht, das gehört sich nicht, und ich wage es auch nicht.
     
    Einmal lieh Frank von Mozie das Motorrad und fuhr mit ihr durch die sanfte Abendluft zu einem See, um zu schwimmen. Ada schlug die Arme um ihn und sah über seine Schulter hinweg auf die Hand am Lenker, das breite Handgelenk, die Adern, die sich unter dem Handrücken kräuselten, und wollte sterben. Sie wünschte es sich tatsächlich: Wenn das hier vorbei war,

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