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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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wollte sie nicht mehr leben, hiernach konnte nichts mehr kommen.
     
    Und dann brach der letzte Abend an. Die Woche war bis zum Letzten ausgereizt worden, länger wegzubleiben konnte sie nicht verantworten. Sie hatte es am Morgen gleich in der Frühe mitgeteilt. Er sagte nichts, zog sich schweigend an. Es war fast, als würde er es einfach ignorieren, weil er davon ausging, dass es nicht wahr war. So war auch der restliche Tag verlaufen. Doch jetzt, hier, im Weinschuppen, brannten die Tränen hinter ihren Augen. Er schraubte den Deckel des Eichenholzfasses auf. Mozie reichte ihm eine lange Pipette. Konzentriert steckte Frank die Pipette tief in das rot gefärbte Barrique. In der Scheune herrschte eine heilige Stille. Ada, die nicht verstand, was sie hier taten, wenn doch jede Minute zählte, versuchte interessiert zuzusehen und den ärgerlichen Kummer, der sie überkam, zu ignorieren. Frank zog die Pipette mit einem solchen Schwung heraus, dass ein paar Tropfen in hohem Bogen auf Adas Streifenrock spritzten. Er entschuldigte sich, doch sie rieb es weg. »Er wird sein Kleid in Wein waschen und seinen Mantel in Traubenblut.« Als sie sein erstauntes Gesicht sah, sagte sie leichthin: »Genesis 49 , Vers 11 «, doch dabei brach es ihr das Herz, denn einen kurzen Moment lang kannten sie einander nicht, und sie sah, wie all die Vertrautheit auch wieder vergehen konnte.
    Mozie hielt ein Glas in die Höhe, in das Frank andächtig etwas Wein einschenkte. Mozie hielt das Glas am Stiel, hob es prüfend gegen das Licht und betrachtete die Flüssigkeit. Er brummte zufrieden und schwenkte den Wein im Glas sanft hin und her. Dann steckte er seine Nase hinein und schnüffelte konzentriert. Danach nahm er einen kleinen Schluck. Etwas von der Spannung sprang auf Ada über. Frank kam zu ihr und legte seinen Arm um ihre Hüften. Obwohl Mozie dabei war, drückte sie sich an ihn. Mozie spitzte die Lippen, sog ein bisschen Luft ein, ließ den Wein im Mund zirkulieren und machte Kaubewegungen – als ob man auf Wein kauen könnte –, schluckte den Wein herunter und öffnete den Mund. Er kostete die Stille aus, die Spannung stieg. Neben sich spürte Ada, wie Frank zum ersten Mal in ihrem Beisein – zum ersten Mal! – vor innerer Ungeduld fast platzte. Sie merkte, dass sie Zeuge eines wichtigen Momentes in seinem Leben geworden war und dass er sie für immer verbinden würde.
    Mozie schwieg. Mit einem Pokerface stellte er das Glas auf den Tisch und nahm ein zweites, sauberes Glas zur Hand. Frank ließ Ada los und schenkte erneut aus der Pipette ein. Warum sagen sie bloß nichts? Nun bekam er selbst das Glas, und die Prozedur wiederholte sich. Ada erkannte die Konzentration auf seinem Gesicht, die innere Aufmerksamkeit, seine Sinne einzig auf das Weinglas vor seinem Mund gerichtet. Jetzt fange ich schon an, auf alles eifersüchtig zu sein, dachte Ada. Und mit einem Mal wurde ihr klar, woran das lag: Es war diese besondere Aufmerksamkeit, die Art, wie er sie selbst ansah, sodass sie sich gesehen und begehrt fühlte. Du siehst mich so, wie ich bin, mit all meinen Stärken und Schwächen. Mit einem Mal wurde sie rasend eifersüchtig auf alles und jeden in seinem Leben, dem dieselbe Aufmerksamkeit zuteilwurde. Ja, dachte sie abschätzig, wenn ich nun meinen eigenen Weg wählen dürfte, dann würde Franks Aufmerksamkeit von nun an einzig und allein mir gehören. Vielleicht brauche ich besonders viel Aufmerksamkeit. Vielleicht bin ich aber auch einfach außerordentlich wenig Aufmerksamkeit gewöhnt. Derks Augen wandten sich beschämt ab, wenn man ihn direkt ansah. Und in Wirklichkeit hatte Ada auch nicht wirklich etwas vermisst. Sie hatte eben einfach ihre Phantasien gehabt. Ada war meistens nur halb an dem Ort, an dem sie sich gerade tatsächlich befand. Mit ihren Gedanken war sie nur halb (oft auch noch weniger) bei den Dingen, die sie tat, oder bei den Menschen um sie herum. Auch das musste anders werden. Sie richtete sich auf und konzentrierte sich auf die Weinprobe, doch die Trauer ließ sie schnell wieder in sich zusammensinken.
    Frank schluckte den Wein herunter, öffnete den Mund und ließ Luft hereinströmen. Er legt den Kopf zurück, als müsste er ein Geräusch in der Ferne wahrnehmen. Dann riss er die Augen weit auf. Mozie fing an zu lachen,
yes, mate
. Der Wein war gut.
We’re in business, mate!
Aber es war mehr als das, sie sah, wie ihre Freude von Sekunde zu Sekunde zunahm, sie sah, wie allmählich zu ihnen durchsickerte, dass

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