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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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sehen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Keine Fremden an seinem Bett.«
    Frank riss die Augen weit auf. Er war sichtbar aus dem Konzept und konnte nicht verhehlen, dass ihn das verletzte. »Ich bin doch kein Fremder?« Jetzt hatte sie sich mit ihm überworfen. Die Freude, mit der er das Kind immer trainiert hatte. Die Zuneigung in seinen Augen, wenn der Junge hereinkam.
    Kriechendes Gas.
    »Keine Fremden an seinem Bett«, wiederholte Marjorie, »nur sein Vater und seine Mutter.«
    O ja, sie hatte ihn verletzt – den großen Frank de Rooy. Doch Esthers Hand legte sich auf seinen Arm, zum Zeichen, dass es gut war. Brav, dachte sie. Doch sie hatte sich tatsächlich mit ihm überworfen. »Nur sein Vater und seine Mutter«, wiederholte sie, diesmal leiser, als würde sie ihm über den Kopf streicheln.
     
    Sie traute dem Frieden noch nicht, drückte ihre Stirn an das Fenster im Krankenhauseingang, sie wollte sie wegfahren sehen. Der leere Jeep stand unten am Straßenrand, unter der Laterne. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, und sie entdeckte Esther, die mitten auf der Straße stand, eine unschlüssige Silhouette. Wo schaut sie nur hin? Frank kam von links angelaufen, aufgeregt, mit großen Schritten. Dann hielt er an, sie riefen einander etwas zu. Er schüttelte den Kopf und rannte zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. Die Überdachung nahm ihr die Sicht. Es war ganz offensichtlich, nach wem er suchte, der Wind hatte das gestreifte Kleid erfasst, Ada war weggeschwebt. Ein paar Minuten vergingen, in denen nicht viel passierte. Esther lief geistesabwesend in der Gegend herum und rief etwas, wahrscheinlich einen Namen – Adas Namen. Sie konnten natürlich nicht wegfahren, solange Ada nicht da war. Doch der Wind wehte in die falsche Richtung, und Ada würde nicht zurückgeblasen werden. Esther lief auf den Jeep zu, setzte sich aber nicht hinein, sondern lehnte eine Weile an der Autotür, was sollte sie schon tun. Es dauerte lange, nichts passierte, doch Marjorie konnte ihre Augen nicht davon losreißen, als würde sie Zeuge eines großen Ereignisses, wenn sie auch nicht wusste, was es war. Aha, da erschien Frank wieder auf der Bildfläche, er rannte mit riesengroßen Schritten von links nach rechts, mitten auf der Straße. Er rannte an Esther vorbei, die vor dem Jeep stand, rief ihr im Vorbeigehen etwas zu, hielt jedoch nicht an und eilte weiter, bis er auf der anderen Seite aus dem Bild verschwand. O je, das kann noch Stunden dauern. Marjorie legte ihre Stirn wieder an die Scheibe. Esther stand zögerlich am Jeep, im Lichtkegel der Laterne. Guck mal, Mama, der Himmel scheint auf die Erde, hatte Bobby immer gesagt, als er klein war. Auf einmal bog sich der lange Körper nach vorn über den Fahrersitz, das Apfelgrün,
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, und griff nach etwas, einem Zettel oder einem Brief. Die hellen Armreife rutschten ihr von den Handgelenken, Marjorie kannte das Geräusch, das dazugehörte, mittlerweile nur zu gut. Esther richtete sich auf, sah zögernd in die Richtung, in die Frank gelaufen war, faltete das Papier auseinander und las. Marjorie wollte auch wissen, was darauf stand, aber es war für sie unmöglich, das herauszufinden. Esther rief etwas. Kurz danach erschien Frank von rechts. Nun rannte er nicht mehr. Esther hob zögerlich den Arm, das Briefchen in der Hand. Im Dunkeln blieb er stehen, kam aber nicht näher, als hätte er Angst vor der Botschaft, die auf ihn wartete. Solange du es nicht liest, kann es auch etwas anderes sein.
     
    Die ganze Nacht über saß sie auf einem Stuhl am Krankenhausbett und hielt die kleine, schlaffe Kinderhand in der ihren, drückte sie leicht, um ihrem Sohn auch im Schlaf zu zeigen, dass er nicht allein war. Das Kind schlief unruhig, Icy neben ihm auf dem Kissen. Gott sei Dank war Icy dabei. Die Nachtschwester brachte Marjorie eine Decke, die sie dankbar um sich legte. Ihr Rücken tat weh. Gegen Morgen fiel sie im Halbschlaf schräg über das Bett, mit schwerem, nickendem Kopf, im Hintergrund die Geräusche des Krankenhauses. Sie fragte sich, warum Ada gefahren war, ohne sich bei ihr zu verabschieden. Ob es dafür einen bestimmten Grund gab.
    »Meine Dame …«
    Jemand legte seine Hand auf ihre Schulter. Mühsam öffnete sie die Augen und richtete sich auf, es war die Nachtschwester. »Meine Schicht ist zu Ende, auf Wiedersehen und alles Gute für ihren Sohn.« Verstört stand sie auf und nickte, ja, ja, natürlich, so spät ist es schon. Ein

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