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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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doch sie muss einen unvergesslichen Eindruck hinterlassen. Darum setzte sie die Entwürfe selbst in Muster um. Das war eher ungewöhnlich, dafür hatte man schließlich seine Leute, doch sie war davon überzeugt, dass sie es besser konnte. Die Logistik des Umzugs überließ sie elegant Rits. Echte Modeschöpfer können keinen Laden führen.
    Was Sallie und sie beide besonders aufregend fanden, war das ausgestopfte Pferd mit Damensattel. Zu diesem durften sie jedoch nur gehen, wenn die Umkleidekabinen leer waren, wenn keine Damen da waren, die sich ein Reitkostüm anfertigen ließen. Und wenn sie versprachen, mucksmäuschenstill zu sein. Denkt daran, mahnte ihr Vater, sonst dürft ihr nie mehr mitkommen. Er tuschelte kurz mit dem Fräulein von der Abteilung und winkte ihnen mit einem geheimnisvollen Gesicht. Daraufhin liefen sie auf Zehenspitzen über den persischen Teppich, und wenn Sal und sie in der Umkleidekabine waren, die etwa so groß wie ihr gesamtes Wohnzimmer war, ließ ihr Vater den schweren Vorhang fallen, sodass sie allein mit dem Pferd waren und er mit dem Fräulein weitertuscheln konnte. Sie streichelten vorsichtig über die Mähne des Pferdes, betasteten sein Gebiss und die Zügel, strichen über das eigenartige, tote Fell und taten so, als wäre dies ihr eigenes Pferd, das lebendig war. Am liebsten wäre Esther allein hier gewesen, ohne ihren kleinen Bruder. Wenn das Fräulein wieder arbeiten musste, eilte ihr Vater herbei und zog sie nacheinander vom Sattel herunter, das war das Allerschönste daran, denn dann musste man beide Beine auf eine Seite legen und konnte dabei herrlich phantasieren, dass man jemand Bedeutendes war. Sallie jedoch hörte nicht auf zu jammern, dass er in den Keller wollte.
    Der Umzug nach Wellington war ein wahres
Happening
. Wie eine Bienenkönigin wirbelte sie zwischen Umzugsleuten, Malern und Lieferanten umher und amüsierte sich königlich. Draußen standen Passanten, die das Spektakel bestaunten, so, wie sie es liebte,
buzz
. Ich kann es, ich bin es, dachte Esther, während sie sich mit ihrem Farbfächer Luft zuwedelte.
    Dann drehte sie sich um und sah direkt in die Augen von Marjorie.
    Die kurze Begegnung schlug die Lady regelrecht von ihren turmhohen Absätzen. Eigentlich wäre die Anwesenheit von Frank de Rooy, der von nichts wusste, schon verwirrend genug gewesen. Doch der Anblick des Jungen traf sie mitten ins Herz. Er verursachte eine ganze Menge Unruhe unter den Raubtieren. Sie atmete tief durch und führte die Peitschenschläge aus.
    So aufreibend wie die Entwurfsphase ist, liegt im anschließenden Ausarbeiten der Kollektion eine gewisse Ruhe. Die Schneider fertigen die auf den Körper zugeschnittenen Musterkleider an, die man dann miteinander bespricht. Gemeinsam arbeitet man die Modelle weiter aus und fügt immer mehr Details hinzu. Alles muss auf die Mannequins zugeschnitten und dann schließlich, im endgültigen Stoff, in einem einzigen Arbeitsgang ausgeführt werden. Dabei wird genau auf die Passform geachtet, nicht jeder Stoff fällt wie erwartet. Nichts Besonderes,
the usual
. Doch die Schneider in Wellington fürchteten sich vor Esthers klimpernden Armreifen, und die gesamte Etage roch so penetrant nach Farbe, dass alle über Kopfschmerzen klagten. Rits war dem Nervenzusammenbruch nahe, als die Einladungen für die Schau zum zweiten Mal falsch gedruckt waren, und Esther … kannte sich selbst nicht wieder. Sie war angespannt und unsicher. Sie überlegte sich aus heiterem Himmel, dass die Cocktailkleider, die bereits fertig waren, mit Batist abgefüttert werden sollten, verwarf die Schmuckbänder eines Abendkleides – erstellt in tagelanger, mühsamer Feinarbeit –, rief einen Moment später wütend aus, dass wohl niemand mehr in der Lage sei, einen anständigen Cardin-Ärmel zu fertigen, und fragte sich dann verzweifelt, warum sie sich eigentlich so benahm. Um die Unruhe in ihrem Kopf in Schach zu halten, trieb sie sich selbst und ihre Mitarbeiter an.
    In den Abendstunden machte Esther Termine mit möglichen Geldgebern. Sie müssen verstehen, erklärte sie über ihrem vierten Glas Bourbon, in Wellington wird ein großes
Swinging Centre
entstehen, wir wenden uns an Künstler, Musiker, Schauspieler, Opernsänger, Architekten, die Avantgarde, die Intellektuellen. Ich habe ein unendliches Talent und verdiene es, ungestört entwerfen zu können, ohne mich dabei um Geldsorgen kümmern zu müssen. Eine eigene Modezeitschrift. Meine Muster per
postorder
. So

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