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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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Nackenhaare stellten sich auf, wie bei einem Dieb, der sich im Dunkeln sicher gewähnt hatte und plötzlich von allen Seiten von Scheinwerfern beschienen wird. Nach außen hin unberührt, ließ sie graziös das Wasser hochspritzen und schwieg.
    »Ich meine, so wie normale Menschen.«
    »Ich bin nicht gut darin«, erwiderte sie knapp und trocknete umständlich ihre Füße mit dem ordentlich gefalteten Taschentuch ab, das er ihr anbot. Sie wusste wirklich nicht, was sie ihm erzählen sollte. Er schien es aber auch so zu verstehen, denn er ging nicht weiter darauf ein und flüchtete sich in eine Neckerei.
    »Und dabei ist es doch so einfach.«
    »Ach ja?«, erwiderte sie ebenfalls neckend, sie hatte ihre Sicherheit nun in dem flirtenden Tonfall zurückgewonnen, »dann bring’s mir doch bei.«
    Ohne zu zögern stieß er zwei Finger gegen ihr Brustbein und schubste sie hintenüber ins Gras. So plötzlich, dass sie vor Lachen prusten musste. Er beugte sich über sie, sein Gesicht dicht vor dem ihren, seine Augen durchbohrten sie. Casanova, dachte sie.
    »So fängst du an«, sagte er mit dieser Stimme, »und dann Augen zu.«
    Sie konnte nicht ganz ergründen, was er vorhatte. Sie, die fabelhaft flirten konnte, war aus dem Konzept gebracht. Man spürte Verführung, die in der Luft hing, jedoch auch allerlei andere Dinge spielten eine Rolle, sodass das Ganze etwas undurchsichtig wirkte.
    »Mach mal vor«, gab sie zurück, um Zeit zu gewinnen.
    Er schloss die Augen, wie zur Demonstration, und ließ sein Gesicht ruhig über dem ihren schweben, bot ihr arrogant die Gelegenheit, seine Gesichtszüge in diesem Mondlicht gut zu studieren oder sogar zu bewundern, wenn sie das wollte. Er war ein schöner Mann, in den sich jede verlieben könnte. Diese Tatsache machte er sich nonchalant zunutze. Er tat so, als würde ihn sein Aussehen überhaupt nicht interessieren, ja, sogar langweilen. Und doch nutzte er es für seine Zwecke. Vielleicht, damit alles dahinter leichter unentdeckt bleiben konnte.
    »Siehst du? Jeder kann es.«
    Mit einem Mal wusste sie es. Esther hatte vorhin im Hotel an seine Zimmertür geklopft, er war zerknittert und mit einer Alkoholfahne in der Tür erschienen, hatte aber nicht einen Moment seine Manieren verloren und war sofort für einen abendlichen Ausflug zu haben.
    »Außer dir und mir«, sagte sie ausdruckslos.
    Er schwieg. Er öffnete seine Augen. Das Flirtende daraus war verschwunden, doch er wich ihrem Blick nicht aus.
    »Wart ihr noch in Indonesien, als die Japaner kamen?«, fragte sie.
    Er biss sich auf die Lippe, sagte nichts, rollte sich von ihr herunter und blieb neben ihr auf dem Rücken im Gras liegen. Er faltete seine Arme unter dem Kopf.
    »Ja.«
    Sie legte sich ebenfalls auf den Rücken. Zwischen den hohen Bäumen hindurch sah sie, dass der nächtliche Himmel über Christchurch mit Sternen übersät war, ein überwältigender, wolkenloser Sternenhimmel.
    Sie blieben sehr lange so nebeneinander liegen und hörten dem plätschernden Wasser des Flusses zu, lauschten einer Ente, die schnatternd aufflog, dem sanften Rauschen des Windes in den Bäumen über ihrem Kopf und den Geräuschen der Nacht. Sie teilten sich ihre letzte Zigarette aus Holland. Träge deutete sie mit ihrem langen, dünnen Arm zu den Sternen hoch. Ihre andere Hand suchte die seine.
    »Morgen wird ein klarer Tag werden«, sagte sie.
     
    Da sie sich wahrscheinlich nie mehr wiedersehen würden, versprach sie ihm nachts in seinem engen Hotelbett, dass sie ihn noch ein Stück begleiten würde, als jedoch morgens an ihre Zimmertür geklopft wurde, war sie eigentlich gerade erst eingeschlafen. Blind vor Müdigkeit, malte sie sich die Augenbrauen nach. Im Essenssaal nickte sie über den Eiern mit Speck, den Bohnen in Tomatensoße mit fetten Würstchen, von denen sie keinen Bissen zu sich nahm, immer wieder ein. Ich hatte Tee bestellt, brummte sie und zeigte auf den bitteren, milchähnlichen Stoff in ihrer Tasse. So trinken wir das hier, sagte die Skischanze, und Esther sah, dass sie sich ihre erste Feindin gemacht hatte. Frank, getrimmt und rasiert, aber mit müdem Gesicht, aß mit großem Appetit und machte der Frau höfliche Komplimente. Schleimer, sagte Esther auf Niederländisch, während sie ihren Teller in seine Richtung schob.
    Draußen mussten sie ihre Sonnenbrillen aufsetzen, gegen die Morgensonne, die tief über den Straßen stand und eine ungeahnte Kraft hatte. Es war warm. Die Aufregung, dass sie nun tatsächlich hier war und

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