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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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verachtenswerten, unzuverlässigen, hinterhältigen, frustrierten (er verwendete noch viel mehr Adjektive) Nonnen ging. Per Telefon verlangte er eine Unterredung, und am nächsten Morgen fuhr er mit geschwollenem Kamm nach Amsterdam. Da begann sie sich Sorgen zu machen.
    Zum Nachmittagskaffee kam er mit ihrem Zeugnis zurück. Triumphierend warf er es auf den Tisch, ha, die Mistweiber waren seiner Entrüstung nicht gewachsen. Aus purer Falschheit hatten sie versucht, ihn mit Unterstellungen über seine Tochter und einen Tbc-Patienten aus dem Konzept zu bringen.
    »Du hättest ein Verhältnis mit einem Tuberkulosepatienten gehabt.« Er sah sie direkt an, mit hartem Blick. Margot wagte kaum zu atmen. Dann schüttelte er den Kopf. »Was für Hexen.«
    Mit einem wütenden Schwung wandte er ihr den Rücken zu, schritt kerzengerade zu seinem Rauchsessel und schlug die Zeitung auf – ein Zeichen dafür, dass die Sache für ihn erledigt war. Margot spürte tausend Stecknadelstiche in ihrem Rücken. In der andauernden Stille lauschte sie auf Geräusche aus der Küche, wo ihre Mutter seinen Kaffee aufsetzte. Sie klimperte etwas auf dem Klavier, wischte Staub von einer Lampe und schob sich Schritt für Schritt in Richtung Wintergarten, bis sie neben der hölzernen Lehne seines niedrigen Sessels stand.
    »Pa?«
    »Hm.«
    Er schlug eine Seite um und vertiefte sich in die Börsenberichte.
    »Und wenn nun doch etwas passiert wäre?«
    Stille. Er las.
    Er sah nicht auf, brummte wohlwollend, red weiter, als wäre dies ein stinknormaler, hypothetischer Fall, den sie leichthin besprachen. Sie schöpfte Mut, warum auch nicht.
    »Und wenn wir nun tatsächlich heiraten wollten?«
    »Hmm …«
    »Was würdest du dann tun?«
    Er schlug die Sportseite auf und strich sie glatt. »Es verbieten natürlich«, sagte er sachlich. »Du bist minderjährig. Ich würde euch den Umgang verbieten, bis diese Laune vorüber wäre. Stell dir das doch mal vor, ein Mann mit Tuberkulose … diese Kerle sind zum Tode verurteilt. Jeder Vater würde dasselbe tun. O ja, du würdest wütend auf mich sein, aber tief in deinem Herzen würdest du wissen, dass es das Beste für dich ist. Und später würdest du mir dankbar sein.«
    Sie blieb wie zur Salzsäule erstarrt neben seinem Sessel stehen. Er las ruhig weiter. Erst als Mutter mit seinem Kaffee hereinkam, gelang es ihr, in ihren erstarrten Körper Bewegung zu bringen.
     
    Ratlos, den Kopf voll umherschwirrenden, formlosen Protests, lag sie auf dem Bett in ihrem alten Zimmer und starrte durch die olivgrüne Tapete hindurch auf den langen, dünnen Jungen. Er lag ebenfalls im Bett und sah sie so betrübt an, dass ihr ganz kalt davon wurde. Ich habe doch gesehen, dass du immer die härtesten Bälle wirfst, sagte sie zu ihm. Du bist überhaupt nicht zum Tode verurteilt. Ich habe gesehen, wie stark du bist, guck dich doch nur an. Du würdest doch am liebsten alles zugleich machen, du studierst, bist immer zu einem Späßchen aufgelegt, du lachst immer.
    Aber jetzt lachte er nicht.
    Ja, ich verstehe schon. Es kann sein, dass du nie mehr aus dem Bett aufstehen kannst. Aber auch das glaube ich nicht. Es kann sein, dass du schwach bist. Aber das glaube ich nicht. Ich weiß doch, was ich sehe, und ich weiß, was ich fühle. Es kann sein, dass du sterben wirst. Aber das scheint mir Unsinn zu sein. Viel wahrscheinlicher ist es meiner Meinung nach, dass du gut für mich sorgen wirst. Ich werde auch sehr gut für dich sorgen. Die Lungen müssen in Fett schwimmen. Richtigen Speck von den Bäckchen gäbe es bei mir, der ist ordentlich fett. Irgendwann muss es doch überstanden sein.
    Dann tauchten die Kinder vor ihren Augen auf. Es waren starke, drahtige Kinder, sportlich, mit einem Schalk in den Augen, genau wie er. Sie wünschte sich das so sehnlich, dass gar nicht daran zu denken war, dass es diese Kinder nie geben würde oder dass sie von jemand anderem sein könnten. Als Margot das bewusst wurde, war sie ein Stück weitergekommen. Sie stand auf, da sie sein betrübtes Gesicht keine Minute länger ertragen konnte, erzählte im Wohnzimmer etwas von einer Freundin, die sie besuchen würde. Sie nahm den Zug nach Amsterdam und danach die Straßenbahn zum Oosterpark. Hier kletterte sie vom Briefkasten aus über den Eisenzaun mit den scharfen Spitzen und klopfte an das Fenster der Baracke. Sie hatte sich einen Plan ausgedacht.
    Sie war ziemlich durcheinander, aber dennoch fest entschlossen.
     
    Zu Hause schnitt sie das Thema

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