Brautflug
angekrochen komme. Das hofft er insgeheim, denn dann hätte er recht behalten. Aber sie würde mit aller Kraft dafür sorgen, dass das niemals passierte, dass ihr Leben mit Hans und den Kindern ein wunderbares Leben werden würde, in einem Land, in dem immer die Sonne schien, ohne dass sie dafür irgendeine Anstrengung unternehmen musste. Und während der kalte Oktoberwind ihr den wehenden Schleier vors Gesicht peitschte, spürte sie, wie ihre Wangen immer heißer und röter wurden.
13
Vier Monate nach ihrer Hochzeit war es Marjorie und Hans noch nicht gelungen, ihre Ehe zu vollziehen. Vor allem nach der ersten Nacht konnte sie ihre Enttäuschung kaum verhehlen, denn es war nicht so gewesen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Es tat zu sehr weh. »Du hast keine Ahnung, das kann nicht normal sein«, sagte sie, als Hans vorsichtig suggerierte, dass sie vielleicht noch einen Moment länger durchhalten müssten. Sie war gewiss nicht wehleidig, in ihrer Familie war keiner wehleidig, das konnte er sich aus dem Kopf schlagen.
Sie hatten sich mit Streicheln und Küssen zufriedengeben müssen, den Dingen, die sie davor auch schon getan hatten. Aber wenn es damals aufregend war – aufregend, weil es heimlich und unehelich geschah –, so kam es ihnen nun wie der Trostpreis vor.
Die ersten Nächte versuchten sie es weiter. Während draußen der Regen gegen die Fenster peitschte, schob Hans auf dem Hotelbett das Nachthemd seiner Frau hoch und bewunderte ihren starken, gesunden Körper. Die festen, jungen Brüste, die breiten Hüften. Der Inbegriff von Gesundheit und Kraft, diese Hüften. Es erregte ihn und sie ebenfalls, sie war mehr als bereit, ihn zuzulassen, fest entschlossen sogar, aber nach und nach legte sich ein bislang unbekanntes Gefühl von Panik über sie. Was machten sie nur falsch? Das kann doch nicht wahr sein, dachte sie, dass mir das nicht gelingt. Aber jedes Mal wieder kam er nicht weiter als bis zur Pforte, ihrem fest geschlossenen Jungfernhäutchen.
Ihre Verliebtheit war stark und echt, sie hatte die zwei Jahre lang Briefeschreiben mühelos überlebt und würde auch jetzt standhalten, doch etwas von dem Glanz, mit dem Marjorie ihr neues Leben als Ehefrau begonnen hatte, verblasste. Etwas stimmte nicht. So sollte eine Hochzeitsreise nicht aussehen. Die Westküste gefiel ihr auch nicht. Als es nicht aufhörte zu regnen, entschieden sie sich dazu, früher zurückzufahren. Jeden Abend klappten sie in ihrer Souterrainwohnung hoffnungsvoll das Bett aus, und jeden Morgen klappten sie es wieder zusammen und versuchten, voreinander ihre Enttäuschung zu verbergen.
Guten Morgen, Schatz, hast du gut geschlafen?
Allmählich wurde die Situation immer skurriler. Hans kramte das Buch von Huddleton Slater hervor, das er aus Holland mitgenommen hatte – als Vorbereitung auf ihr Leben als Mann und Frau. Es könnte an der Stellung liegen, erfuhr er, doch als er Marjorie behutsam erklärte, welche andere Stellung sie probieren könnten, wollte sie nichts davon hören. Sie waren doch keine Tiere.
Nach zwei oder drei Wochen begann es zu bluten. Von Zeit zu Zeit entdeckte Marjorie kleine Blutflecken in ihrer Unterwäsche. Ich bin nicht normal, dachte sie, und es kostete sie immer mehr Mühe, tagsüber das selige Lächeln der frisch verheirateten Frau auf den Lippen zu behalten. Sie hatte sich auf dieses Lächeln gefreut, hatte es geübt, doch nun schien es eine unendlich schwere Aufgabe zu sein, von der sie todmüde wurde und Kiefermuskelkater bekam. Sie pries sich glücklich, dass sie so weit von ihren Eltern entfernt war, und in ihre Briefe nach Holland steckte sie von Mal zu Mal mehr Euphorie. »In der Ehe wird ein Mädchen erst wirklich zur Frau«, schrieb sie, »das hat sich mir nun auch offenbart.«
»Hör mal auf.«
Hans rollte sich von ihr herunter, und kurz darauf lagen sie nebeneinander und starrten auf die Farbbläschen an der Zimmerdecke. Wieder nicht, dachte sie, und das sagte sie auch. »Wieder nicht.«
Er wusste nicht, was er antworten sollte, und das machte sie rasend vor Wut. »Bin ich vielleicht nicht normal?« Er drehte sich zu ihr um und streichelte ihr Gesicht, natürlich war sie normal. »Vielleicht liegt es doch an der Stellung«, sagte er. Zum ersten Mal dachte sie darüber nach.
»Was hat der Pfarrer eigentlich gesagt?«
Hans hatte als Vorbereitung auf ihre Ehe ein Gespräch mit dem Pfarrer gehabt, der ihn mit den Aufgaben vertraut machen sollte, die auf ihn als Ehemann warteten. Es
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