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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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Ausbildung. Er dachte noch immer, dass sie nichts verstand, und fing an mit ihr zu sprechen, als wäre sie eine verirrte Wahnsinnige, mit übertriebenen Mundbewegungen. »Jungfrau … Sie sind noch Jungfrau … Häutchen … nicht gerissen …«
    Sie machte wahrscheinlich einen ziemlich dämlichen Eindruck.
    »Manchmal«, schrie er beinahe, »ist die Haut so fest … gelingt es nicht … kann der Mann nicht hindurch.«
    »I understand perfectly well«, sagte sie hochmütig, ein Versuch, ihren Stolz zu bewahren. Er lachte, ein freundliches Lachen. »Darum haben Sie Probleme mit dem Koitus. Es ist nur ein kleiner Eingriff, wir machen einen Termin beim Gynäkologen.«
    Er griff in seine Schreibtischschublade. Mit einem Mal drang die Bedeutung zu ihr hindurch. Alles wird gut werden, jubelte eine innere Stimme, nur ein kleiner Eingriff, und dann wird alles gut. Eine zentnerschwere Last glitt von ihren Schultern, eine Last, die sie nicht bewusst gespürt hatte, die sie jedoch schwerfällig und müde gemacht hatte. Als würde eine Gardine aufgehen. Sie hätte den Mann küssen können. War das ein hübsches Haus hier, so hell und sonnig.
    »Jetzt versteh ich es«, rief sie, »darum bin ich noch nicht schwanger!«
    Sie hätte es sich eigentlich selbst denken können, feste Jungfernhaut, sie hatte ein festes Gewebe, wie alle in ihrer Familie. Das ist ja wirklich ein Witz. Hans wird sich auf die Schenkel schlagen vor Lachen. Bald würden sie wie normale Menschen miteinander schlafen können.
    »Sonst wäre ich schon längst schwanger gewesen! Wir sind alle so fruchtbar, wissen Sie, Sie müssen sich meine Familie nur mal ansehen, meine älteste Schwester erwartet ihr drittes Kind, und die zweite hat schon vier!«
Right
, sagte der Arzt, wenn alles gutginge, könnte noch innerhalb eines Jahres ihr Erstes geboren werden. »Und Sie werden sehen«, sagte er und schüttelte ihr freundlich die Hand, »das geht hier bei uns genauso.« Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass er sich über sie lustig machte, aber das nahm sie ihm nicht übel, weil er ein so guter Doktor war.
     
    Im Christchurch Women’s Hospital in der Colombo Street, einem halbrunden, modernen, weiß verputzten Gebäude mit drei Stockwerken und einem kreisförmigen Platz davor – auf dem sie ein paar wirre Runden gelaufen war, bevor sie sich durch die Glastür nach drinnen wagte –, wurde ihr Jungfernhäutchen operativ durchtrennt. Sie bekam eine leichte Narkose, musste eine Nacht bleiben und wurde am nächsten Morgen mit der Mitteilung nach Hause geschickt, dass ihr Mann sich zwei Monate lang des »Zusammenlebens« enthalten musste, der Hygiene wegen.
    Hans zeigte sich großmütig wie immer, erklärte, dass er nun umso mehr Verlangen nach ihr hätte, streichelte ihre Brüste, von denen er nicht genug kriegen konnte. »Erstaunlich«, sagte er, »für euch das Normalste der Welt, für uns die Hügel von Zion.« Niemand hatte einen Mann, der so liebe Dinge zu einem sagte, dachte sie, ganz schwach vor Verliebtheit. Die zwei Monate würden sie auch noch aushalten. Aber das war nicht das Problem. Was sie langsam wahnsinnig machte, war, dass sie sich immer noch kränklich fühlte. Krank, schlapp und müde. Der Blutverlust hielt an. Das kommt durch die Wunde, dachte sie. Ihr war schlecht, und sie musste sich übergeben, noch vor dem Frühstück. Das kommt von der Narkose. Manchmal kroch sie, sobald Hans zum Bauernhof fuhr, wo er für einen Schafbauern kilometerlange Holzzäune anlegte, wieder zurück ins Bett. Das kommt von der Operation, davon wird man müde und missmutig. Aber nach drei Wochen musste sie sich eingestehen, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Und die Hügel von Zion waren geschwollen und schmerzten.
     
    Zwei Wochen später brach sie während der Untersuchung beim Gynäkologen in Tränen aus, der Mann sah sie erschrocken an. »Mir kommt es fast vor, als wäre ich schwanger«, schluchzte sie, »jeden Morgen ist mir so übel.« Er richtete sich auf und zog sich seine Handschuhe aus. »Da ist wohl der Wunsch Vater des Gedankens«, sagte er in einem Ton, der keine Widerrede duldete. Um sie zu überzeugen, ließ er ihren Urin testen. Eine Woche später ließ er sie mit einer irritierten Geste auf dem Stuhl ihm gegenüber Platz nehmen. »Sie sind schwanger«, sagte er, »schon etwas über den zweiten Monat hinaus. Herzlichen Glückwunsch.«
    Einen Moment lang dachte sie, dass ihr ein Erzengel begegnet wäre. Er erklärte es ihr. Ein starker Samen findet immer

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