Brautflug
all dem, was sie mitmachte. Alles ging schief in der letzten Zeit, sie dachte darüber nach, wie sie auch das mit diesem Mann besprechen könnte, aber sie wusste nicht so recht, wie sie es in Worte fassen sollte. »We are not … living together.«
Er sah sie ermattet an. Er soll sich erst einmal die Hände abtrocknen.
»My husband and I.«
Das Zusammensein, meinte sie eigentlich, mit unserem körperlichen Zusammenleben stimmt etwas nicht. Sie wurde feuerrot, spürte, wie ihre Wangen fast platzten. Zusammensein im Sinne von Geschlechtsverkehr, dachte sie, aber das konnte sie doch nicht sagen. Ach, egal, gab sie ihm zu verstehen. Es ist einfach zu ermüdend, immer wieder diese sprachlichen Missverständnisse. Manchmal versuchten Hans und sie zu Hause englisch zu reden. Manchmal gelang das auch, aber meistens klang es forciert, und sie hielten es nicht lange durch. Hans war schon weiter als sie, natürlich, er war auch schon seit zwei Jahren hier. Sie war verrückt nach ihm, die Tränen brannten ihr hinter den Augen, wie sollte es nur weitergehen.
»What do you mean?«
Ach egal, sie machte eine wegwerfende Handbewegung, gleichzeitig versuchte sie es aber noch einmal, jetzt mit viel Nachdruck und Vorwurf in der Stimme. »We cannot … be together.«
Wenn er es jetzt immer noch nicht begriff, wusste sie auch nicht weiter.
Oh, wie sie diesen Besuch hasste, diesen Mann, dieses Land. Um ihren feuerroten Kopf zu verbergen, starrte sie auf den Boden, wo einer dieser ewigen englischen Schimmelteppiche lag. Kein Geschmack, die Kiwis. Man musste sich nur einmal die Möbel in ihrem Souterrain ansehen, die massiven Stühle aus schwerem, dunklem Eichenholz, mit Polstern, die so nach früher rochen, dass man schwören konnte, Queen Victoria persönlich hätte darauf gesessen.
Als hätte sie nichts Besseres zu tun, lag sie kurz darauf mit den Beinen breit da und starrte an die Zimmerdecke. Um ehrlich zu sein, sie hatte tatsächlich nichts anderes zu tun, da sie aufgehört hatte zu arbeiten, um Kinder zu bekommen und sich um ihre Familie zu kümmern. Bis jetzt tat sie allerdings nicht viel mehr, als üppige Mahlzeiten für Hans zu kochen. Sie war noch immer etwas beunruhigt, ob mit seinen Lungen alles in Ordnung war, er musste gut essen – viel und fett –, dafür sorgte sie. Sie war keine geborene Köchin, doch sie wurde eine aus Überzeugung. Es dauerte nicht lange, und sie konnte genauso köstliche Sunday Roasts machen wie die anderen Leute hier. Ansonsten war es ihre Aufgabe, das Holz in den Kupferherd zu legen, damit das Wasser warm wurde und sie Wäsche waschen konnte. Geld für eine Waschmaschine hatten sie nicht. Das waren so ihre Beschäftigungen, sie hätte sich also auch eine Stelle suchen können. Esther zu besuchen war auch kein Spaß, denn die saß nur mit hochrotem Kopf und hektischen Flecken im Gesicht hinter ihrer Nähmaschine in der Cashel Street, oder sie lag mit Kopfschmerzen im Bett und wollte sie nicht empfangen. Und so etwas nennt sich Freundin. Nach dreimal Teetrinken bei Peggy hatte sie auch davon genug. Einmal war sie bockig ins Labour Department stolziert, doch als sie hörte, dass sie in einer Keksfabrik Gebäck mit Sahne bestreichen sollte, hatte sie dankend abgelehnt. Sieh zu, dass du nie ein Fabrikmädchen wirst. Ihre Laune war davon nicht besser geworden. Sie sollte einfach mal zum Arzt gehen. Ich bin gespannt, was es sein kann, sagte Hans am Morgen. Als würde er sicher wissen, dass es an ihr lag.
»Ist Ihre Menstruation normalerweise regelmäßig?«, fragte der Mann, der zu ihren Füßen hockte.
»Sie kennen mich nicht«, schnauzte sie, »in meiner Familie ist sie immer regelmäßig. Es liegt bestimmt an der Luft hier. Oder am Essen. Alles ist anders.«
Am Morgen war ein Brief aus Holland gekommen. Ma wagte nicht direkt, die Frage zu stellen, aber sie las es zwischen den Zeilen: Sie hätte schon längst schwanger sein müssen. Von Pa kein Wort. Wenn der Arzt nur endlich damit aufhören würde, in ihr Innerstes zu starren. Wenn sie sich nur nicht so müde fühlen würde.
»Sie sind noch Jungfrau«, sagte er kurze Zeit später, als sie ihm wieder angezogen gegenübersaß. »Technisch gesprochen.«
Sie sah nur, wie sich sein Mund auf und ab bewegte, manchmal entglitt ihr das Englisch einfach. Wenigstens merkte er es. Er verdeutlichte alles langsam und nachdrücklich. »Das Jungfernhäutchen ist intakt.«
Ich bin nicht taub, dachte sie. Das Wort
Hymen
kannte sie, von der
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