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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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und mindestens vier zusätzlichen Zimmern für die Kinder werden, vielleicht auch mit sechs, wenn sie wollte, ein Haus, dass er selbst bauen würde, wenn sie genug Geld gespart hatten, um ein Grundstück und Baumaterial zu kaufen. Noch war es lange nicht so weit, er musste erst einen großen Teil seines Zuschusses für die Überfahrt zurückzahlen. Aber phantasieren kostete nichts, und dass er dieses Haus irgendwann bauen würde, stand fest. Und jetzt wollten sie weg aus diesem dunklen Souterrain mit dem Gemeinschaftsbad und den schweren Möbeln. Es wurde Zeit für eigene Möbel, schwedische, leichte, moderne Dinge. Es war an der Zeit, neuen Wohnraum zu beziehen. Auch wenn ein Wohnwagen nicht wirklich das war, was sie dabei vor Augen gehabt hatten.
    »Ein Wohnwagen …«
    »Aber es wäre wenigstens unser
eigenes Mobile Home
«, sagte er und geleitete seine schwangere Frau umsichtig die Treppe des Kaufhauses hinauf. Er hielt ihr die Türen auf, er hätte Flüsse stauen und Berge versetzen können. »Ganz und gar frei, weit draußen. Man mietet einen Platz, für nur ein Pfund, sieben Schilling und sechs Penny die Woche.« Darüber könnte man nachdenken, nickte sie. Merkwürdig, wie mild sie durch das Leben in ihr geworden war. Mild, weich, rund und warm. Ab und zu ein bisschen Bauchschmerzen und leichte Blutungen, aber was war das schon.
    Das gehörte alles dazu.
    In der Kinderabteilung zog sie ihn direkt zu einem robusten Kinderwagen hin, der glänzend auf einem Podest stand.
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. Sie kletterte auf das Podest, um zu erspüren, wie entzückend echt sich so ein Griff in ihren Händen anfühlte. Sie testete die Federung des Wagens, indem sie diesen kräftig auf und nieder wippen ließ. Die Verkäuferin sah es mit Schrecken, blieb aber höflich und versuchte die ungestüme Dutchie abzulenken, indem sie auf ein anderes Modell weiter hinten zeigte. »We’ve got them in three different makes.« Hans studierte die Preise, die bei etwa zwanzig Pfund lagen. Marjorie sah seinen besorgten Blick und musste darüber lachen. Im Bett hatte er sie ehrfürchtig gestreichelt. »Unglaublich«, hatte er gesagt und dabei seinen Mund über ihren Bauch gleiten lassen, »unglaublich«, und sie war ganz seiner Meinung gewesen, dass es eine Glanzleistung war, dass sie beide ein außergewöhnliches Paar waren und ihr Kind daher auch nicht
irgendjemand
sein würde. Noch sechseinhalb Monate mussten sie warten, aber ihr Kind gab es schon. Sie waren zu dritt.
    »Es ist für unser Kind!«, rief sie vom Podest herunter, und im selben Moment, gerade, als sie den wippenden Kinderwagen wieder unter Kontrolle hatte, verspürte sie aus ihrem tiefsten Inneren einen unbekannten, scharfen Schmerz, und sie wusste sofort, dass etwas nicht stimmte, da ihr eiskalt wurde und sie im nächsten Moment anfing, mit den Zähnen zu klappern. Ein Krampf im Bauch raubte ihr den Atem, und dann sackte sie auf ihren schlaffen Puppenbeinen schräg in sich zusammen und taumelte vor den Augen von Hans und der Verkäuferin vom Podest herunter, hinein ins Ungewisse, genau genommen auf den Boden des Kaufhauses – was durchaus unüblich war. Daher wusste die Verkäuferin auch nicht gleich, ob sie erst auf die holländische Frau und ihren schreienden Mann zugehen oder schnell ihren Chef holen sollte. Doch das bekam Marjorie schon nicht mehr mit.
     
    Es sah immer mehr danach aus, als würde sie auf einer Krankentrage liegen, irgendwo in einem Zimmer – vermutlich in einem Krankenhaus, denn sie roch Lysol. Marjorie lag auf dem Rücken, und jemand in der blauen Uniform, in der sie in diesem Land das Krankenpflegepersonal herumlaufen ließen, hielt ihre Hand, Hans hielt die andere, ganz deutlich spürte sie den Unterschied. Die von Hans war warm, trocken und angenehm, wie eine Höhle zum Verstecken. Die der Krankenschwester hatte Finger wie dürre Zweige. Ein unbekannter Mann im Doktorkittel beugte sich über sie. Das konnte vielleicht sogar der Malermeister sein. Er sah sie durchdringend an, und sie bekam das Gefühl, dass sie schon längere Zeit nicht aufgepasst hatte, obwohl sie das sehr wohl hätte tun sollen. Eifrig bemüht, wollte sie sich aufrichten, doch es gelang ihr nicht. Das lag daran, entdeckte sie, dass der Mann sie herunterdrückte. Seltsam. Außerdem redete er mit ihr. Sie sah, dass sich sein Mund bewegte, und hörte die englischen Klänge und den Kiwi-Akzent, hatte aber keine Ahnung, was die Worte bedeuteten. »Du sollst dich nicht

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