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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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seinen Weg. Irgendwann in ihren Hochzeitsnächten hatte sich eine kräftige, schlaue Samenzelle nicht abwimmeln lassen. Herzlichen Glückwunsch, sagte er noch einmal. Sie starrte ihn weiter an, das war einfach unfassbar. Und was war mit den Blutungen? Das kommt vor, erklärte er, in den ersten Monaten war das vollkommen normal. Auch der Bauchschmerz und die Müdigkeit. Er sah auf die Armbanduhr und schob seinen Stuhl zurück.
    Alles, was irdisch und schwer war, wich aus ihrem Körper. Einen Meter über dem Boden schwebte sie hinter dem Arzt her zur Tür. Sie drückte seine ausgestreckte Hand ganz besonders herzlich, weil sie zum einen ihre Dankbarkeit ausdrücken und ihm zudem seinen Irrtum nicht weiter übelnehmen wollte. Sie fühlte sich wunderbar edelmütig, ging mit federndem Schritt durch die Flure zum gläsernen Ausgang, trat schwanger ins Sonnenlicht hinaus und merkte, dass die Straßen nur so wimmelten von anderen schwangeren Frauen, als wenn es so vereinbart wäre, eine Art Verbündung. Sie musste den Impuls unterdrücken, jede Einzelne zu grüßen. In ihrem Kopf trompetete es, na siehst du, ich bin normal. In einem halben Jahr wird mein Ältestes da sein. Das hier ist mein Ältestes, sagt man dann. Und hier stehen sie nun wie die Orgelpfeifen, danach zeigt man in den Kinderwagen: Und dies ist unser Benjamin. Sie versuchte, sich das Kind vorzustellen, ihr Baby, den Geruch ihres Babys, sie würde sich unmöglich noch mehr als sechs Monate gedulden können. Am liebsten wollte sie noch heute mit einer dieser weichen Bürsten über die feinen Haare streichen, über das wackelige Köpfchen. Sie wollte die Geräusche des Schluckaufs hören und den wehrlosen kleinen Körper spüren, wenn er mit aufstieß. Mein Baby, mein erstes Kind. Sie wollte sehr viele Kinder haben, in einem Haus, in dem es stets nach frisch gebackenem Kuchen roch. Das wollte sie den vorbeigehenden Leuten zurufen. Sie verspürte den Drang, durch die Straßen zu tanzen, und musste sich zusammenreißen, um keine russischen Sprünge zu machen. Sie streckte ihren Bauch heraus. Starker Samen findet immer seinen Weg. Pa mit seinem »dem Tode geweiht«. Eigentlich, dachte sie gerührt, hatte sie Hans damit nun endgültig vor dem Tod gerettet. Ihre Liebe hatte ihm die Kraft gegeben zu kämpfen, ihr Plan hatte ihn in ein gesundes Klima gebracht, ihre herzhaften Gerichte erdrückten die Bazillen, ihr Kind hatte ihn in Kontakt mit der Ewigkeit gebracht. So philosophisch wurde man von der Schwangerschaft. Euphorie ergriff gleitend und mühelos von ihr Besitz. Und doch schimmerte darunter verborgen noch immer die Unruhe, dass es anders hätte kommen sollen, dass sie irgendwie die Kontrolle darüber verlor.
     
    An einem sonnenüberfluteten Tag im März liefen die Frau, die durch geschlossene Türen empfangen konnte, und der Mann mit dem starken Samen Arm in Arm über das Straßenpflaster von Christchurch, um einen Kinderwagen auszusuchen. Bei jedem ihrer Schritte entsprangen den Pflastersteinen Blumen, und so verwandelte sich die karge Stadt hinter ihnen in einen blühenden Garten. Überraschung glitt über die Gesichter der Passanten beim Anblick von so viel Glück. Die Menschen sehen uns nach, dachte Marjorie und drückte sich voller Genuss noch dichter an den Vater ihrer Kinder, sodass sie zu einem einzigen Wesen verschmolzen, wenn sie nebeneinanderliefen: das perfekte Paar, mit zwei Köpfen, vier Beinen – und dazu noch mit dem entzückenden Geheimnis dreier Seelen. Währenddessen sprachen sie über materielle Dinge, weil ihnen beiden klar war, wie wichtig diese waren.
    »Mir ist ein großer Wohnwagen zur Miete angeboten worden«, sagte Hans, »er steht etwas außerhalb der Stadt, in einer Art Park.«
    Die Überlegungen hatten direkt in dem Moment begonnen, als Marjorie ihm am Abend nach dem Arztbesuch im Souterrain die süße Neuigkeit unterbreitet hatte. Er stotterte Liebeserklärungen und umspannte mit den Händen ihre Taille, flüsterte heiser, dass er sie bereits nicht mehr umfassen konnte, da sein Kind ihre Taille dicker gemacht hatte. Sie sah, wie er schluckte, um nicht zu heulen, was natürlich schrecklich unmännlich gewesen wäre. Der Mann mit dem unbesiegbaren Samen, und keine Stunde später, während sie über den besten Anfangssatz für einen Triumphbrief nach Hause sann, entfaltete er große Bögen Zeichenpapier auf dem Eichenholztisch und fing mit den Entwürfen für ein Haus für seine Familie an. Es sollte ein Haus mit zwei Stockwerken

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