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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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deine Moral ab, bis du hilflos am Boden liegst, und dann, wenn sie dich richtig fertigmachen könnten –
    Tun sie nichts.
    Drehen sich um und gehen.
    Die Kompanien der 7. Brigade sind in die Flucht geschlagen, sein Zug liegt wortwörtlich am Boden. Wäre ich ihr da oben, denkt Arik, würde ich die Gunst des Augenblicks nutzen, Hügel 314 anzugreifen, die letzten Überlebenden kaltmachen, auf Hulda vorstoßen und von dort weiter auf Tel Aviv. Niemand wäre auf einen solchen Angriff vorbereitet. Ihr hättet gute Chancen, uns einfach zu überrollen.
    Doch sie scheinen zufrieden damit, ihren Berg zu verteidigen.
    Das Bild zweier Boxer kommt ihm in den Sinn, einer am Ende seiner Kräfte, wankend, blutüberströmt, und der andere lässt ihn stehen, ohne ihm den Knock-out zu verpassen.
    Woran liegt’s?
    (Und warum, zum Teufel, zerbreche ich mir darüber den Kopf?)
    (Wie lange sind wir überhaupt schon hier?)
    Schaut auf seine Uhr.
    Das Glas ist zersprungen.
    Stehen geblieben.
     
    Liegt auf dem Rücken, lauscht dem Summen der Insekten.
    Oder produziert sein Hirn das Summen?
    Interessante Begleiterscheinungen, die der Durst so mit sich bringt. Sehstörungen, Konzentrationsschwächen, Sprachprobleme. Die Zunge liegt wie ein verrottender Tierkadaver in deiner Mundhöhle, Stoffwechsel und Thermoregulation versagen. Angeblich braucht es drei bis vier Tage, um zu verdursten, aber so, wie sie hier schwitzen, werden sie binnen Stunden Mumien gleichen. Regelrecht gedörrt werden sie auf dem rissigen Lehm, vertrocknen bei lebendigem Leibe, nachdem die Sonne den letzten Rest Schatten aus der Mulde vertrieben hat.
    Um das Wasserloch herum liegen die Toten.
    Arik dreht den Kopf. Murmelt ein paar aufmunternde Worte in Richtung seiner Kameraden.
    Erschöpfte Handzeichen, leere Blicke.
    Reden wäre zu anstrengend.
    Wir müssen hier raus, denkt er. Bloß wie. Sobald man nur den Kopf über den Rand der Mulde hebt, fangen sie da oben ja schon wie wild anzu ballern, also werden wir hier sterben. Es sei denn, wir halten bis Einbruch der Dunkelheit durch.
    Dann vielleicht, im Schutz der Nacht –
    Eine Fliege versucht, in seinen Mund zu kriechen. Er wedelt sie beiseite. Hat schon Halluzinationen. Das Summen in seinem Schädel wird lauter, gewinnt an Kraft.
    Verwandelt sich in ein Brummen.
    Ein fernes –
    Nein, das kommt nicht aus seinem Kopf.
    Das kommt von oben.
    Arik blinzelt, fokussiert den Himmel. Hoch über ihnen, zwischen den Rauchschwaden, die der glutheiße Wind von den Feldern herübertreibt, wird etwas sichtbar, weiß und silbern.
    Wie Vögel.
    Vögel, die –
    kleine
    schwarze
    Bomben
    fallen
    lassen
     
    »Deckung!«
    Deckung? WO DENN BITTE ?
    »Lauft!«
    Im nächsten Moment dröhnen die Explosionen, bebt der Boden. Eine Lawine aus Steinen und Erdreich deckt die Soldaten ein, die Luft füllt sich mit schwarzem Rauch. Das komplette Gelände gerät in Brand. Wer kann, springt auf, eben rechtzeitig, um der gewaltigen Detonation zu entgehen, die das hintere Ende der Mulde mitsamt der Wasserstelle und den Toten in einen rotbraunen Geysir verwandelt. Lehmbrocken prasseln herab, dicht wie Sturzregen. Kopflos rennen sie durcheinander, versuchen höher zu gelangen, in den Schutz der Felsen, krabbeln wie Spinnen am Badewannenrand den Hang hinauf, stolpern, stürzen, rutschen ab, krallen sich verzweifelt ins magere Gestrüpp.
    »Kommt zurück!«, schreit Arik. Winkt mit beiden Armen. »Da oben sitzt ihr erst recht in der Fa –«
    Um ihn herum explodiert das Erdreich, Garben pflanzen sich durch die Mulde auf ihn zu.
    Etwas durchschlägt seinen Bauch.
    »Mmmm –«

    Seine Lippen formen ein Wort.
    »Mutter«, flüstert er.
    Fällt auf die Knie. Hockt da, betrachtet erstaunt das Loch im kräftigen Gewebe seines Hemdes, dessen Ränder sich rot färben, da – noch eine Wunde, im Oberschenkel, wo kommt die jetzt her?
    Was zum –
    Mit ausgebreiteten Armen kippt er auf den Rücken.
     
    Männer auf Pferden vor einer schwellenden Sonne.
    Dolch oder Geige?
    Himmel, was hat er auf dem Ding herumgekratzt, um ihm ein paar halbwegs passable Töne zu entlocken. Nach ein, zwei Jahren war er so weit, dass man sich nicht mehr die Ohren zuhalten musste, von Genuss zu sprechen, wäre vermessen gewesen.
    Samuel auf seinem Pferd ragt über ihm auf, ein höllenschwarzer Schatten vor einem glutroten Himmel.
    »Sie mögen dich belächeln, Arik, später werden sie dich bewundern.«
    bewundern –
    später –
     
    Später?
    Schreckt hoch.
    Eingeschlafen. Verdammt!

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