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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Nach zähen Verhandlungen kam Mastrogiacomo schließlich frei. Der Fahrer wurde geköpft. Den Dolmetscher ließen sie zuerst laufen, überlegten es sich anders, fingen ihn wieder ein und köpften auch ihn.
    (Denk an was anderes.)
    Zum Beispiel, warum sie bislang in keine einzige Straßensperre geraten sind. Der Fahrer scheint die Checkpoints ziemlich genau zu kennen, jedenfalls gibt er sich alle erdenkliche Mühe, sie zu umfahren. Mal rumpeln sie über furchige Pisten, dann geht es querfeldein, abseits aller Wege. Selten kommt ihnen ein anderes Fahrzeug entgegen. Manchmal dringt von ferne das lange nachklingende Grollen schwerer Lkw-Motoren an Hagens Ohr, die meiste Zeit jedoch hustet und heult der Land Cruiser sein einsames Solo. Dafür sind Vögel zu hören. Beredtes Gezwitscher. Fast, als sprächen sie zu ihm und verrieten ihm den Weg.
    »Durst?«
    Einer der Paschtunen stupst ihn mit der Wasserflasche an. Hagen nimmt sie, schiebt sie unter den Sack, umschließt die Öffnung mit den Lippen, trinkt. Lauwarm wie Pisse. Reicht die Flasche an Björklund weiter.
    »Ihr gut?«, will der Englisch Sprechende freundlich wissen.
    »Wir ausgezeichnet«, sagt Björklund. »Wir Ritz Carlton, Mann!«
    Der Paschtune lacht.
    Seit sie losgefahren sind, legt er eine fast rührende Fürsorge an den Tag. Erkundigt sich fortgesetzt, ob sie Hunger, Durst haben, mal rausmüssen, sonst was brauchen. Als wären sie in einem rollenden Hotel unterwegs. Bei Hagen hat er seinen Spitznamen weg, er nennt ihn nur noch Ihrgut, gemäß seiner Standardfrage. Jedes Mal aufs Neue bedauert Ihrgut, dass sie die Kapuzen tragen müssen, es auf dem Rücksitz nicht bequemer haben, nicht die Vorzüge der Landschaft genießen können.
    »Ihr nicht sehen. So schade! Nirgendwo auf der Welt schön wie hier. Wunderschön Afghanistan!«
    Dann sagt er wieder etwas auf Paschtu, und die anderen grölen los.
    »Wetten, die machen sich über uns lustig«, knurrt Björklund.
    »Na und?« Hagen zuckt die Achseln. »Sei froh. Solange sie über uns lachen, werden sie uns nicht den Hals umdrehen.«
     
    Nach einer Weile geht es in Serpentinen abwärts. Sie sind auf einer Straße. Einer ziemlich guten Straße sogar.
    »Gleich da«, ruft Ihrgut aufmunternd.
    Hagen hofft es von Herzen. Seine Arschbacken sind gefühllos, als habe jemand Betäubungsmittel hineingespritzt. Dafür scheint seine Wirbelsäule jede Sekunde auseinanderzubrechen. Eine Weile überqueren sie ebenes Gelände, dann geht es sanft wieder bergauf.
    Rechtskurve.
    Linkskurve.
    Der Land Cruiser hält.
    Schritte nähern sich. Begrüßungen werden durchs offene Fenster gewechselt. Jemand steckt den Kopf ins Wageninnere, wenigstens schließtHagen das aus dem Umstand, wie nah die Stimme plötzlich klingt. Er kann spüren, wie der andere ihn und Björklund mustert.
    » Allahu akbar! – Gott ist groß!«
    Immerhin. Wann hat das zuletzt jemand bei seinem Anblick gesagt?
     
    Die Paschtunen helfen ihnen nach draußen. Auch blind weiß Hagen, dass sie in einer Ansiedlung sind. Nichts Großes, kein urbanes Grundrauschen. Ein Gehöft, ein Dorf, Wind, der durch Baumkronen streicht. Kinder, die heraneilen und sie schnatternd umstellen. Der stete Schluckauf eines Huhns.
    Eine Hand umfasst seinen Oberarm, führt ihn. Die Kinder schwirren hinterdrein, werden mit harschen Worten zurückgetrieben.
    »Vorsicht«, sagt Ihrguts Stimme.
    Luftdruck und Akustik verändern sich, sie betreten ein Haus. Hagen tastet mit der Fußspitze umher, stößt auf Widerstand. Steigt eine Stufe empor, geht ein paar Schritte.
    »Hier. Warten.«
    Die Minuten quälen sich dahin.
    Dann endlich der ersehnte Moment, da Finger die Schnur seiner Kapuze aufnesteln, den Stoff anheben, ihn von dem Ding befreien. Gott, ist er froh, den Geruch aus der Nase zu bekommen! Frische Luft strömt in seine Lungen, Licht fällt auf seine Netzhaut – und im selben Moment wird ihm klar, dass er den Muff zuletzt gar nicht mehr wahrgenommen hat.
    Er war ihm vertraut geworden.
    Kotzgeruch.
    Das ist es, warum wir überleben, denkt er. Wie Folteropfer, die sich in ihre Peiniger verlieben. Andernfalls müssten wir wahnsinnig werden.
    Er schaut sich um.
    Der Raum ist groß und rechteckig, mit gelb verputzten Lehmwänden. Halbtransparente Stoffe bauschen sich vor dem einzigen Fenster, lassen Licht herein, ohne mehr von der Außenwelt abzubilden als Schemen. Den Boden drapieren kirschrote Teppiche, die Decke ist tapeziert, ein Kassettenmuster in Rubin und Gold, dessen ornamentale

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