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Kleinkind, denkt Phoebe zornig. Sie mag den alten Mann, sie mag ihn sogar sehr, aber wahrscheinlich würde sie jetzt zulassen, dass er sich aus der Welt bombt, wären da nicht drei junge Menschen in seinem Haus.
»Gut. Wenn du hierbleiben willst, komme ich zu dir.«
Katzenbach schweigt.
Sie lässt das Megafon sinken und geht auf das Haus zu.
»He, Moment!« Der Leitende versucht sie am Ärmel festzuhalten. »Was machen Sie da?«
»Mit ihm reden.«
»Sind Sie verrückt?«
»Nehmen Sie Ihre Finger weg.«
»Sie widersetzen sich nicht meinem Kommando!« Er läuft ihr hinterher, stellt sich ihr in den Weg. »Ich werde das nicht zulassen.«
Phoebe bleibt stehen.
»Jetzt passen Sie mal auf, Ihretwegen kann ich meine Tochter nicht suchen. Sie wollten Hilfe, also helfe ich. Lassen Sie mich gefälligst meine Arbeit machen, ich hab schon nicht vor zu sterben.«
»Das ist zu gefährlich. Einer von uns muss –«
»Einer von Ihnen wird es nur versauen. Dror ist mein Freund. Ich geh das Problem jetzt für Sie lösen.«
»Phoebe, komm nicht näher«, knarzt Katzenbachs Stimme.
Der Leitende schwitzt.
»Er wird mir nichts tun«, sagt Phoebe ruhig. »Ich weiß es.«
Bravo, Phoebe.
Du und deine Riesenfresse.
Wären wir nur nie in den Scheißsinai gezogen!
Sie denkt an das Haus am See Genezareth, an das sie sich so sehr geklammert hat. An ihre Kinder. An Jehuda und die seltsame Krise damals zwischen ihnen. Wie sie einander beinahe verloren hätten.
Man kann nichts festhalten.
Dreht sich zum Haus um und geht weiter.
Jehuda klammert sich ans Gitter.
Wacklig.
Sie haben ihm eine Schutzweste und einen Helm verpasst, eingekeilt steht er zwischen vier Zahal-Einsatzkräften, drei Männern und einerFrau, denen anzusehen ist, dass sie lieber in Treibsand versinken würden, als jetzt gerade hier zu sein. Über ihm quietschen die Stahlseile in den Scharnieren. Der Käfig schwingt hin und her, steigt höher, gibt den Blick frei auf die Dächer.
Dutzende Okkupanten, dicht gedrängt.
Mehr als 100, schätzt er.
Ofers lustige Tanzgruppe hat sich in den Hintergrund verzogen. Dafür beherrschen Vollbärtige mit Kippa, blauweißen Umhängen und Gebetsriemen das Bild. Einige haben sich schwarze Kapseln mit Thoraversen auf Herz und Stirn gebunden, ihre Oberkörper rucken vor und zurück. Andere werfen Unrat herunter, drohen mit Knüppeln.
Freiwillig werden die das Dach nie verlassen. Sie wollen die letzte Konfrontation, und sie werden sie bekommen.
Jehuda schaut nach unten.
Sieht die Soldaten lange Leitern herbeischleppen und an die Außenfassade lehnen. Aus seiner luftigen Warte wirken sie wie eine monströse Spezies bodenbewohnender Insekten. Die Helme vereinheitlichen ihre Köpfe zu Chitinhäuptern, wuselnd drängen sie sich vor dem Gebäude, als wollten sie im nächsten Moment über- und aneinander hochkrabbeln. Sobald eine Leiter an die Dachkante schlägt, versuchen die Okkupanten, sie zurückzustoßen, schimpfen und spucken auf die Uniformierten, die ihre Stiefel auf die untersten Sprossen setzen.
Fast wie im Mittelalter, denkt Jehuda.
Fehlt nur, dass sie von oben glühendes Pech runterkippen.
Zwei Soldaten bringen einen fahrbaren Tank in Stellung, aus dem sich ein Schlauch windet, richten die Mündung nach oben.
Im nächsten Moment schießt eine Fontäne weißen Schaums unter Hochdruck heraus.
Die Dachbesetzer prallen zurück.
Ein zweiter Tank wird herangerollt.
Im Nu verwandelt das Schaumbombardement die Okkupanten in taumelnde Witzfiguren. Wie aus einem Slapstickfilm. Marx Brothers. Chaplin. Laurel und Hardy. Als seien sie allesamt in eine riesige Sahnetorte gefallen.
Sie wischen sich den Schaum aus den Gesichtern. Strömen wieder zur Kante, zorniger denn je.
Versuchen erneut, die Leitern wegzustoßen.
Die Kanonade geht in die zweite Runde. Das Zeug überzieht nun auch die Soldaten, die das Dach fast erreicht haben. Sie ducken sich, setzen den Aufstieg fort.
»Was um alles in der Welt ist das für eine Sauerei?«, entfährt es Jehuda.
»Schaum«, sagt die Soldatin neben ihm.
»Was für Schaum?«
»Na, Schaum halt. Wasser und Seife.« Sie klappt ihr Visier herunter. »Was glauben Sie denn, was es ist? Löschkalk?«
»Scheint sie nicht sonderlich zu beeindrucken.«
»Abwarten. Bald werden sie die Schnauze voll haben. Im wortwörtlichen Sinne.«
Der Käfig schwenkt aufs Dach ein, über die Köpfe der Widerständler hinweg, senkt sich herab. Die Sahnetortengestalten versuchen zu entkommen, rutschen
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