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israelischen Militärpatrouillen entgegen, beschädigen jüdische Wohnhäuser, im ganzen Land ist die arabische Bevölkerung außer sich.
Benjamin versteht sie.
Doch, im Ernst.
Wie man halt Menschen versteht, wenn man in der Lage ist, sich in ihr Denken hineinzuversetzen.
Er kann den Zorn der Araber über die Provokationen der Siedler in jeder Sekunde nachvollziehen. Es ist ja keineswegs so, dass er Menschen verletzt oder ermordet sehen möchte. Er hasst die Araber nicht. Sähe er nur die geringste Möglichkeit, Eretz Israel ohne Blutvergießen zu errichten, er würde alles dafür geben. Ihm ist bewusst, dass ihre listenreiche Rückkehr nach Hebron dem ohnehin angeschlagenen Friedensprozess empfindliche Treffer versetzt hat, die Rücksichtslosigkeit der Besatzungssoldaten jede Koexistenz zunichtemacht, Polizeipräsenz nicht automatisch Recht bedeutet, der palästinensische Terror zunehmend auf das Konto der Messianisten geht, Gusch Emunim den Staat gefährdet, was bei oberflächlicher Betrachtung alles nur noch schlimmer macht.
Aber eben nur bei oberflächlicher Betrachtung.
Tatsächlich wird alles besser, weil am Ende dieser schmerzlichen Prozesse die Ankunft des Messias steht.
Immerwährender Friede.
Immerwährendes Glück.
Für die gesamte Menschheit!
Die Frage ist nicht, ob es zur Erlösung kommt, nur wie. Ob also der Weg des fortgesetzten Kleinkriegs sie beschleunigt oder eher in die Länge zieht. Die jüdische Renaissance sei wichtiger als jede Demokratie, hat Levinger kürzlich gesagt, aber vielleicht unterschätzt er ja die Möglichkeiten der Demokratie, eine Theokratie zu errichten.
Über all dies denkt Benjamin nach.
Und er will beim Nachdenken nicht gestört werden.
Keine Aussetzer mehr. Keine Prügeleien und Schießereien, das ganze Levinger-Programm: tabu. Mit dem einen Fleck auf der Weste wird er leben müssen, doch es gibt Waschmittel.
Über die Sache wird bald Gras gewachsen sein.
Danach sehen wir weiter.
Kfar Malal
»Vier Generationen«, zwitschert Rachel vergnügt. »Ist das nicht wunderbar? Wir sind zusammen die Geschichte Israels.«
»Mit all ihren Auswüchsen«, gibt Phoebe trocken zurück.
»Ach, Kind. Darüber können wir uns heute Abend noch echauffieren.«
Phoebe hebt eine Braue.
»Du willst mich heute Abend nicht mit Leah streiten hören.«
Wenn nämlich Benjamin, seine Frau und ihre aufreibenden Kinder eintreffen und die Atmosphäre verfrömmeln.
»Vielleicht kommt sie ja nicht mit«, gibt Rachel einer tief empfundenen Hoffnung Ausdruck.
»Mach dir da mal keine Illusionen.« Phoebe verstaut die St.-Peter-Fische im Kühlschrank, wo bereits akuter Platzmangel herrscht. Gefüllte Weinblätter, Hummus, Taboulé, Zhoug, Mashi, Oliven und eingelegte Gurken in Servierschälchen bilden den Unterbau für Platten mit Früchten und Käse. »Zur Bekundung ihrer Abscheu setzt sie sich sogar mit uns an einen Tisch.«
Was Leah angeht, sind die Familienverhältnisse, um es mal so zu nennen, passiv suboptimal.
Soll heißen, Funkstille.
Während der letzten Jahre hat sich der Kontakt auf gelegentliche Besuche Benjamins in Kfar Malal und noch gelegentlichere Treffen mit Jehuda beschränkt, sporadisches Aufkeimen einer Verbundenheit, die nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Nervenbahnen nach Hebron praktisch abgestorben sind.
Nur, Rachel wird 80.
Also werden sie in wenigen Stunden gemeinsam den alten Hof in Kfar Malal bevölkern und versuchen, nicht über Religion und Politik zu sprechen. Was sicherlich das Klügste ist, allerdings die Frage aufwirft, worüber sie dann reden sollen.
»Tataa! Der Wein!«
Uri, in Begleitung einer auf Wischmopp frisierten Anastasia, betritt die Küche und wuchtet zwei Kartons auf den Tisch.
»Weiß und rot. Vergreift euch nicht gleich dran.«
Rachel zieht eine der Flaschen heraus und begutachtet das Etikett.
»Kenne ich nicht.«
»Wurde mir empfohlen. Ist koscher.«
»Koscher.« Die alte Frau schüttelt den Kopf. »So ein Zinnober. Und nur wegen Leah.«
»Vergebene Liebesmüh«, konstatiert Phoebe und wickelt Schabbat-Brote aus dem Papier. »Leahs Vorstellungen davon, was koscher ist, hätten selbst Moses in Bedrängnis gebracht.«
»Hauptsache, er schmeckt.« Rachel stellt die Flasche weg und schickt interessierte Blicke in Anastasias Richtung. »Was ist passiert, Kind? Siehst aus, als wär auf deinem Kopf ein Tier verendet.«
»Ich find’s toll«, verkündet Miriam, die Tüten mit Gemüse und Fleisch hereinträgt, doch der
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