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du weißt, dass du an ihrer Stelle lügen würdest. Und Sadat sei so ein Mensch. Ich antwortete, ganz schön mutig, ihm zu vertrauen. Er sagte, ganz schön feige, die Chance in den Wind zu schlagen, nur um Vorurteile zu pflegen.«
Sie schiebt den Teller von sich weg.
»Ich weiß nicht. Vielleicht war es ein Fehler, diesen Vertrag zu unterzeichnen. War es das? Es nicht zu tun, wäre in jedem Fall der größere Fehler gewesen.«
»Tut mir leid«, sagt Benjamin zu Jehuda auf der Veranda.
In der Küche tragen Phoebe und Leah schweigend Geschirr aneinander vorbei, Uri und Miriam waschen ab. Anastasia hat sich in den ersten Stock zu Yael gelegt, die sonst schlaflos durchs Haus geistern würde, aber da geistert schon Schalom, zu viel Spuk für eine Nacht. Seine Präsenz durchweht die Zimmer und Flure, wartet in Rachels Bett, die sich mit Vera und den Witwen bei Portwein und Gebäck wach hält.
Rachel hat nie wieder geheiratet.
Schaloms Tod war die erste Tragödie in ihrem Leben, die sie ohne ihn bewältigen musste, und das erschien ihr unmöglich, also ließ sie ihn leben. Wer immer ihr in den Jahren darauf den Hof machte, den schickte nicht sie nach Hause, sondern er.
Erst wenn Rachel tot ist, wird auch Schalom gestorben sein.
»Was tut dir leid, Ben?«
»Leah«, sagt Benjamin. »Sie meint es nicht böse, sie ist einfach nur – von unserer Sache durchdrungen.«
»Durchdrungen«, echot Jehuda.
»Wir tragen eine tiefe Sehnsucht in uns, Jehuda. Das kann nicht jeder verstehen. Muss er ja auch nicht. Aber Jamit, den Sinai aufzugeben, das hat uns schon sehr getroffen –«
Jehuda lacht sarkastisch.
»Na, was meinst du, wie es uns getroffen hat.«
»Ich weiß. Aber warum sind wir hier? Warum sind wir in diesem Land? Warum nicht in –« Benjamins Hände öffnen sich, greifen eine Möglichkeit aus der Nachtluft heraus. – »Alaska?«
»Da wären wir ja fast gelandet.«
Gab schließlich unzählige Pläne, wo eine jüdische Heimstätte entstehen könnte. Argentinien stand zur Diskussion, Kanada, British Guiana, sogar Japan. Als Übergangslösung schlug Roosevelts Innenminister Ende der Dreißiger Sitka, Alaska, vor.
»Und Herzl wollte uns in Uganda ansiedeln«, nickt Benjamin. »Was für ein himmelschreiender Unsinn. Wo soll man denn leben, wenn nicht in seiner Heimat? Und diese Heimat ist uns ’67 auf dem Silbertablett serviert worden.«
»Ben, das kenne ich rauf und runter.«
»Das ganze Land. Glaubst du denn, das war Zufall?«
»Es war Glück.«
»Nein, es war Gottes Geschenk an uns. Darum dürfen wir diese Gebiete nicht aus der Hand geben, kein Politiker der Welt kann sich über Gott stellen und sagen –«
»Es geht um Frieden, Ben. Um Frieden.«
»Was du Frieden nennst, sind Kompromisse.«
»Damit nicht noch mehr Menschen sterben müssen.«
»Ja, so kann man argumentieren, aber dann werden wir auf ewig in Kompromissen gefangen sein. Ohne je in den Zustand der Erlösung zu gelangen.«
»Es war jedenfalls nicht sonderlich erlösend, uns in Jamit deine Studenten aufzuhalsen.«
»Das geschah aus Solidarität.«
»Ja, klar«, höhnt Jehuda. »Dieser Junge, Ofer –«
»Ein guter Junge.«
»Ich habe dem guten Jungen eine gescheuert, und ganz zu Recht. Stimmt, er war sehr an uns interessiert. Vor allem an Miriam.«
»Ofer ist jung, ungestüm –«
»Ihr seid alle ein bisschen ungestüm.« Jehuda schüttelt den Kopf. »Ben, erklär mir das bitte. Wen oder was repräsentierst du? Ich komm da einfach nicht mehr mit. Dieser Irre, dieser Levinger mit seiner Blut-und-Boden-Polemik, der meint, eure Erlösung sei einen Krieg wert, wenn der auf diesen Araber geschossen hätte, okay, aber du? Herrgott, du bist mein Bruder, du – du – schießt doch nicht auf Menschen!«
»Es war Notwehr«, seufzt Benjamin.
» Deine Tochter hat angefangen.«
»Nein, so kannst du das nicht betrachten.«
»Nicht? Entschuldige mal. Sie hat einen Stein geworfen auf einen Jungen, der ihr nicht das Geringste –«
»Verdammt, Jehuda!«, zischt Benjamin in unterdrückter Wut. »Reicht es denn nicht, dass jeder auf der Welt meint, sich darüber verbreiten zu müssen, wer im Nahen Osten angefangen hat? Wir sind nicht aggressiv, selbst Levinger hat kein Problem mit den Arabern.«
»Darum hat er auch einen erschossen vor zwei Jahren.«
»Das war falsch. Aber sie müssen endlich begreifen, dass Hebron eine jüdische Stadt ist, dann können wir Tür an Tür –«
»Wie bitte? Levinger will 50 000 Siedler nach Hebron
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