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der Compound wie verlassen da.
Die Restlichtverstärker in den Brillen der Sniper zeigen zwei Wachen mit Gewehren. Bärtige in landesüblicher Kleidung. Schwer zu sagen, ob es Leute aus Muneers Klan sind oder Taliban. Taliban bevorzugen Turbane, die hier tragen den Pakol. Immer wieder erwandern ihre Blicke den Hang. Viel dürften sie kaum erkennen, da es ihnen im Gegensatz zu den Beobachtern am Vorzug von Nachtsichtbrillen mangelt, und schon gar nicht sehen sie die Sniper auf dem Bergkamm. Die sind wie Steine unter Steinen, perfekt getarnt.
Unsichtbar für die Wachen.
Unsichtbar für Hagen, Björklund und Inga.
Mit dem Unterschied, dass Hagen von dem Snipernest weiß.
Irgendwo über ihnen müssen sie sein, um die Einsatzleitung bis zum Moment des Zugriffs auf dem Laufenden zu halten.
Er drückt sich in den Fels, fixiert den schwarzen Kamm des Höhenrückens. Im Osten beginnt eine Ahnung von Licht die Sterne zu verschlucken, über ihnen erstrahlen sie als funkelnder Hofstaat eines Neonmondes, der die Ebene und den Compound in fahles Licht taucht.
Noch am selben Abend, nachdem er im Stabszimmer des Generalsseine Bombe hat platzen lassen, haben die Deutschen eine Predator-Aufklärungsdrohne vom amerikanischen Air Force Special Operations Command erbeten. Zusammen mit weiteren Wünschen ist das Ersuchen auf den Schreibtisch des ISAF -Oberkommandierenden geflattert. Und der hat nicht lange gezögert, sondern den Wunschzettel abgearbeitet wie der Weihnachtsmann, weswegen jetzt gerade in beträchtlicher Höhe, unhörbar, ein schwer bewaffnetes Spectre Gunship zur Luftnahunterstützung kreist, falls in den nächsten Stunden irgendetwas dramatisch schiefgehen sollte. Für die Operation selbst stehen Chinooks bereit, fette Transporthubschrauber, die Bäuche voller Zugriffteams, zwei Apache-Kampfhubschrauber und ein Black-Hawk-Rettungshelikopter. Die Deutschen stellen die Soldaten, die Amerikaner die Hardware.
Alles, um drei junge Leute aus einem Bauernhof zu befreien.
Doch der Aufwand ist nötig. Die Attacke soll überraschend erfolgen, aus dem sprichwörtlichen heiteren Himmel heraus. Entweder es klappt auf Anhieb oder gar nicht.
Und gar nicht steht nicht zur Debatte.
Am Ende mussten sie Hagen die Bilder der Drohne zeigen, auch wenn die Jungs vom BND es vorgezogen hätten, ihn von allen Meetings fernzuhalten und ihm stattdessen hinter irgendeinem Duschcontainer die Fresse zu polieren. Dass hochdekorierte Militärs, die afghanische Regierung, nicht zuletzt die Kanzlerin im Affenzahn Entscheidungen treffen mussten, verübeln sie ihm gewaltig. In ihren Augen ist Hagen eine Schmeißfliege, die versucht, edleres Leben vor sich herzutreiben. Dummerweise können sie ihm nicht verbieten, seinen Artikel zu veröffentlichen – das heißt, sie könnten es schon, aber auf eine Weise, die vielleicht nicht ganz verfassungskonform wäre. Also mussten sie ihn als Berater akzeptieren und zähneknirschend zusehen, wie er die Aufnahmen anglotzte, um sie mit seinen Eindrücken vor Ort abzugleichen.
Und Hagen hat sehr genau hingesehen.
Dabei ist ihm etwas aufgefallen. Eine Verwerfung dicht unterhalb des Kamms, ein natürlicher Einschnitt, fast ein Hohlweg. Die Strategen vom Planungsstab hat das weniger beschäftigt, Muneers Leute und die Taliban werden ihre Kräfte im Compound konzentrieren. Weit interessanter schien ihnen, was womöglich ausschlaggebend war für die besondere Lage des Compound. Rund 50 Meter oberhalb der Anlage, erreichbar über einen mauergesäumten Weg, klafft eine Höhle im Hang. Nun sind Höhlen keine Seltenheit in afghanischen Gebirgen, sie dienen als Vorratsraum, Waffenlager, Versteck. Das Problem mit dieser ist, dass die Sniper sie von ihrer Warte aus nicht einsehen können. Im Camp haben sie darum Alternativen diskutiert, doch unterm Strich erwies sich der Bergkamm jedes Mal als die beste Lösung, also ist man dabei geblieben. Immerhin können die Jungs von hier sehen, wer den Weg benutzt, was er bei sich trägt, wann er kommt, wann er geht.
Dass auch die Verwerfung für die Sniper uneinsehbar ist, hat niemanden gestört.
Wer soll da oben schon rumkraxeln wollen?
Für Hagen ist es ein Lotteriegewinn.
Am Vorabend haben sie sich von einem nordafghanischen Fixer, den er für weniger anspruchsvolle Jobs einzusetzen pflegt, bis kurz hinter Takafamast fahren lassen, ins menschenleere Patchwork brauner, abgeernteter Felder. Alle drei im Schalwar Kameez, Inga mit Sonnenbrille, Tuch vors Gesicht
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