Breaking News
der Samael -Abschussliste.
»Und Sie glauben wirklich, die führen was Neues im Schilde?«
»Ich weiß es nicht.« Setzt die Brille wieder auf. »Ich wüsste es nur gern, bevor es passiert.«
Nablus
Sie lernen Hanaans und Mansours Söhne kennen.
Sieben und zehn.
Der Siebenjährige macht Yael Komplimente und schwärmt von ihren Haaren, ein Don Juan ohne Hintergedanken. Mit dem Älteren kann man vor allem über Fußball reden.
Eigentlich nur über Fußball.
»Das ist eine vorübergehende Phase«, sagt Mansour, als sei er selbst nicht der lebende Gegenbeweis.
Fängt wieder mit Andreas Müller an.
Eine halbe Stunde sitzen sie zusammen, während Yael willig das Studienobjekt mimt. Die Gelegenheit, den Jungs eine Jüdin zu präsentieren, die keine Kinder frisst, wollen Hanaan und Mansour nicht verstreichen lassen, ihre Motive sind nobel, Ehrensache für Yael, sich durch die Manege treiben zu lassen. Sie ist ein pädagogischer Glücksfall, ein schönes, seltenes Tier. Lächelt und lacht, geht in die Offensive, fragt die zwei aus, streicht dem Jüngeren übers Haar, spinnt ihn in einen Kokon aus Glück, sodass er noch lange von dieser auf wundersame Weise in ihrem Kreis erschienenen Frau träumen wird, bringt den anderen dazu, sich in Vorahnung seiner Mannwerdung zu produzieren.
Mansour verfrachtet sie ins Bett.
»Nette Jungs«, konstatiert Hagen.
»Ja.« Hanaan schaut den Flur entlang, an dessen Ende das Kinderschlafzimmer liegt. »Sie machen sich ihre eigenen Gedanken. Wir können nur den Boden bereiten.«
»Ihr macht das gut«, sagt Yael.
Hanaan legt die Hände im Schoß ihres Kaftans zusammen. Sie wirkt angespannt. Als traue sie sich selbst nicht über den Weg dafür, Yael unter ihrem Dach zu verstecken.
Eine seltsame Verlegenheit steht im Raum.
»Gut.« Hagen erhebt sich. »Wir wollen nicht länger –«
Hanaan schaut auf.
»Unsere Kinder sollen nicht unsere Fehler wiederholen. Wenn sie schon hassen, was sie noch gar nicht kennen, wie soll es dann je besser werden?« Sie stockt, ringt nach Worten. Ihre Augen heften sich auf Yael. »Dann wäre alles sinnlos gewesen. Das wäre die Hölle. Wir sind zu alt, die Welt zu ändern, aber sie –«
Hagen schreibt im Geiste mit.
Er kann nicht anders.
Er ist Journalist. Der ewige Zeuge.
»Nein, Hanaan.« Yael schüttelt den Kopf. »Auch wir können noch was verändern.«
»Sagt Mansour auch immer.« Hanaan zuckt die Schultern. »Er ist ein solcher Optimist, aber wenn ich mir unsere Politiker ansehe –«
»Das ist keine Frage des Alters. Vorbehalte kannst du noch überwinden, wenn dir Haare und Zähne ausfallen, nur die Hoffnung zu verlieren – das ist es, was dich langsam tötet. Dann hast du alles verloren. Und glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.« Yael scheint in sich hineinzuhorchen. »Ich weiß es nur zu gut.«
Sie bleibt noch bei Hanaan.
Hagen zieht sich zurück, um Dokumente zu fälschen. Yael wäre hilfreich, aber dafür müsste er ihr erzählen, was es mit seinen angeblichen Beweisen auf sich hat. Dass nicht der Enthüllungseifer eines investigativen Journalisten sie in ihre prekäre Lage gebracht hat, sondern die Behauptung eines Ertrinkenden, über Wasser gehen zu können.
(Irgendwann wirst du ihr reinen Wein einschenken müssen.)
Aber nicht jetzt.
Mansour hat ihm die Internetbuchse gezeigt, doch Hagen bleibt offline. Kaum vorstellbar, dass jemand ihn detektiert, solange er keine E-Mails öffnet, dennoch. Was die Arbeit natürlich verlangsamt. Er müsste ein paar Fakten recherchieren, überhaupt, was er nicht alles müsste. Sich in Hamburg melden. Denen erklären, dass die Story noch größer wird als gedacht. Auch sein Online-Arbeitgeber dürfte sich wundern, wo sein Korrespondent abgeblieben ist.
Sobald wir in Jordanien sind, denkt er.
Dann werde ich ihr die Wahrheit erzählen.
Und wir schreiben die Story gemeinsam. Es wird keine Rolle mehr spielen, ob meine Daten echt sind, die Fälschungen dienen dann lediglich noch dazu, die 25 000 zu rechtfertigen.
Ich werde etwas viel Besseres haben:
Yael.
Sie ist mein Kapital.
Sie ist meine Wahrheit.
Mansour bringt ihm Fladenbrot, Käse und Oliven. Hagen starrt in den Laptop, bis seine Augen flimmern. Irgendwann wird er müde, rollt sich auf seiner Matratze zusammen und schläft ein.
Spät in der Nacht wird er wach.
Was er da in seiner Benommenheit spürt, ist ihm aus besseren Zeiten so vertraut, dass er zunächst nicht weiter darüber nachdenkt. Dann wird ihm klar, dass
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