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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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eigenen Ehren errichten ließ. Ein Ambiente zwischen Aufbruch und Zerstörung, in dem Baumeister, Eroberer und Erdbeben jeweils ihre Spuren hinterlassen haben.
    Über allem liegt eine Atmosphäre der Herzlichkeit.
    Durchweht von einem Hauch Bedrohung.
    Mansour führt sie eine Gasse hinab, in der ein Lieferwagen parkt wie an die Wand geklebt. Unter einem lastend niedrigen Durchgang eine Art Kontor. Metallschränke voller Ordner, wacklige Schreibtische, Gerümpel. Die gegenüberliegende Wand verschwindet hinter Sesamsäcken. Zwei beleibte Männer schauen bei ihrem Eintreten auf, kurzer Wortwechsel. Mansours Brüder. Mansour öffnet eine schwere Stahltür, dahinter geht es abwärts. Stufen, die aussehen, als habe Vespasian sie schon so vorgefunden.
    Kaum Licht dringt nach oben.
    »Kommt mit. Ich zeig euch was.«
    Yael zögert.
    Hagen sieht, wie das Kinderprogramm in ihr hochlädt (nie fremden Männer folgen, die dir was zeigen wollen). Mehr als das. Nablus, ehemalige Hochburg des Terrors. Kaum anderswo wurde mit größerem Eifer an Bomben gebastelt. In all der pittoresken Beschaulichkeit sind die Wallpaper mit den Konterfeis von Freiheitskämpfern nicht zu übersehen, im Untergrund brodelt es, und solange keine Bewegung in die verfahrene Lage kommt, wird sich daran wenig ändern. Deutlich steht die Vorstellung in Yaels Blick, für die Dauer der nächsten Jahre in dem Kellerloch zu hocken, während sie in Jerusalem den Preis für sie aushandeln.
    Hagen versteht sie.
    Er ist kein ängstlicher Mensch, darf man nicht sein in dem Job, doch auch ihn beschleicht ein eigenartiges Gefühl.
    »Wo bleibt ihr?« Mansour ist schon auf der Treppe.
    Würde er sie hinters Licht führen? Was wissen sie schon groß über ihn? Was weiß David über ihn?

    Gut, er hat ihnen geholfen.
    Bis jetzt.
    Zögerlich folgen sie ihm nach unten.
    Hinter ihnen verdunkelt sich der Treppenschacht. Als Hagen über die Schulter schaut, folgt ihnen einer der beiden Brüder mit unbewegter Miene. Raumgreifend. Keine Maus käme an ihm vorbei. Dann stehen sie in einem niedrigen Gewölbe, erleuchtet von einer Deckenfunzel –
    – und nun die Kurznachrichten: Fünf Jahre saßen die israelische Ärztin Yael Kahn und der deutsche Journalist Thomas Hagen in einem fensterlosen Keller in Nablus, bis sich die Regierung entschloss –
    In der Mitte des Raumes liegt etwas.
    Eine massive, mehrere Meter durchmessende, runde Steinscheibe mit einem Loch in der Mitte.
    »Das ist das Herz dieses Hauses«, sagt Mansour.
    »Ein Mühlstein?«, fragt Hagen
    »Der erste, mit dem meine Familie Sesam gemahlen hat. Vor über 150 Jahren.« Mansour streicht beinahe zärtlich über die Oberfläche. »Ich liebe diesen Stein. Er erzählt, woher wir kommen. Wer wir sind. Ruht hier, fest und unerschütterlich. Wenn ich nicht weiterweiß, hole ich mir hier unten Kraft.« Er lächelt. »Muffig, was? Gehen wir wieder nach oben.«
    Auch der Bruder lächelt.
    »Tee?«
     
    Beschämt treten sie hinaus auf die Gasse. Ein junger Mann kommt ihnen entgegen, die Sackkarre gestapelt voll mit Melonen. Nickt ihnen freundlich zu.
    »Nächste Station«, sagt Mansour. »Kontrastprogramm.«
    Dafür verlassen sie die Altstadt und fahren die Hauptstraße entlang, auch hier alle Insignien des Aufbruchs.
    Dann, wie mit dem Lineal gezogen –
    Schlagartig ändert sich der Eindruck. Der nächste Abschnitt wirkt desolat, unverputzte Fassaden, Schlaglöcher, Menschen, deren Lebenstempo eigenartig heruntergefahren scheint. Aggression liegt in der Luft, Ziel- und Perspektivlosigkeit. Nichts hier passt ins Bild der prosperierenden Provinzmetropole.
    »Ein Beit al-Ma’ «, sagt Mansour. »Eines unserer Flüchtlingslager.«
    »Flüchtlinge?«, Hagen überlegt. »Aus welcher Zeit?«
    »Nakba.«
    Arabisch für Katastrophe. Entsprechung des israelischen Unabhängigkeitstags. Die einen feiern, die anderen trauern. Tausende palästinensische Araber sind ’48 in die jordanisch okkupierte Westbank geflohen.
    »Aber das ist ewig her«, sagt Yael. »Die müssen inzwischen uralt sein.«
    Doch die meisten hier sind jung.
    »Zweite und dritte Generation«, sagt Mansour.
    »Und es war in Jahrzehnten nicht möglich, sie zu integrieren?«
    »Sie sind anders. Jeder bleibt unter sich. Nur weil sie Araber sind, werden sie nicht bei uns heimisch. Warum besteht denn die PA auf einem unbegrenzten Rückkehrrecht für Flüchtlinge? Weil sie mit ihnen fühlt? Weil die alle so gerne nach Israel wollen? Die schlichte Wahrheit ist, man will sie

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