Breaking News
Abends.«
»In meiner Begleitung schon.«
»Nicht ohne meinen Gettoblaster.«
»Gettoblaster!« Mansour lacht. »Manchmal schleppen sie ganze Verstärkeranlagen und Schlagzeuge hier rauf. Dann nehmen wir den Berg auseinander.«
Hagen sieht sie vor sich. Wie ihre Gedanken und Träume ihren Köpfen entsteigen und sich in der kühlen Abendluft verteilen.
»Es ist so friedlich hier oben«, sagt Yael.
»Ja.«
»Als Teenager dachte ich manchmal, dass Frieden nichts Spektakuläres ist. Eigentlich das genaue Gegenteil. Keine Leistung, weil ja nicht viel passiert.« Ihr Blick bekommt etwas Wehmütiges. »Ich dachte, wenn wir alle ein bisschen mehr miteinander rumhingen, uns ’ne Cola teilen, zusammen Musik hören, müssten wir da nicht kapieren, dass wir den Scheiß gar nicht nötig haben? Ich würde sehen, dass du keine Nägel frisst. Du würdest sehen, dass ich kein Öl saufe.« Sie hebt eine Braue. »Du frisst doch keine Nägel?«
Mansour grinst. »Nur, wenn niemand hinsieht.«
Yael schaut weiter hinaus.
»Ich war 17«, sagt sie.
»Als was?«
»Als Rabin starb.«
Zieht die Jacke enger um ihre Schultern und schweigt.
Wir werden uns nach diesem Moment zurücksehnen, denkt Hagen. Er mag sich nicht ausmalen, unter welchen Umständen.
Tel Aviv
Um 18:00 Uhr hat Perlman ein Gespräch mit einem der Desk Officers. Der Mann kommt ohne Umschweife zur Sache.
»Sagt Ihnen der Name Yossi Backenroth was?«
Perlman runzelt die Stirn. »Wer soll das sein?«
»Er war. Mediziner. Vorgestern wurde er in einer Jerusalemer Restauranttoilette aufgefunden. Überdosis.«
»Ein Junkie?«
»Der Obduktionsbericht weist Zweifel auf. Sie meinen, da könnte jemand nachgeholfen haben.«
»Und was hat das mit uns zu tun?«
»Backenroth arbeitete Ende 2005 als Assistenzarzt in der Neurologie des Hadassah Hospitals. Er war ein Kollege von Yael Kahn. Sie teilten sich ein Zimmer.« Der Desk Officer schiebt ihm die Unterlagen rüber. »Und da ist noch was –«
»Interessant«, sinniert Ben-Tov. »Beide in der Neurologie, während Scharon dort in Behandlung war. Und sechs Jahre später löst Backenroth das Ticket nach Nirwana ein –«
»Von Samael spendiert.«
»Während seine Kollegin um ein Haar entführt wird.«
»Um wie er in irgendeinem Bahnhofsklo zu enden«, nickt Perlman. »Oder sich zu erhängen. Vor den Zug zu werfen. Was weiß ich, wie sie es aussehen lassen wollten.«
»Sie beseitigen Zeugen, bevor wir sie befragen können.«
»Machen den Dreck weg, den Hagen aufgewirbelt hat.«
Dann erzählt er Ben-Tov, was noch im Bericht des Hadassah steht, und das ist nun wirklich ein dicker Hund.
»Fast eine Antwort!«
»Es gab nur die eine Möglichkeit. Zwei Wochen bis zur OP . ZweiWochen, in denen sie Scharons Therapierung manipulieren konnten. Jetzt wissen wir immerhin, wer ihm die Medikamente verabreicht hat.«
»Und zwar andere, als er bekommen sollte.«
»Sie wurden ausgetauscht.«
Ben-Tov spielt mit einem Kugelschreiber rum. »Es muss doch einen Medikationsplan geben.«
»Es gibt sogar mehr als das«, sagt Perlman. »Quittungen. Was immer über den Tresen der Medikamentenausgabe ging, wurde vom Empfänger gegengezeichnet.«
»Entweder also steckte die Ausgabekraft mit drin –«
»Unwahrscheinlich.«
»Denke ich auch. Scharons Schlaganfall kam wie aus heiterem Himmel. Die hatten gar keine Zeit, im Hadassah ein Netzwerk zu installieren.«
»Oder die Medikamente wurden ausgetauscht, nachdem sie quittiert worden waren.«
»Schon ein Wunder, dass sie überhaupt jemanden vor Ort hatten.«
»Hatten sie vielleicht nicht mal.«
Blitzrekrutierung?
Kein Problem.
Du willst die Mitarbeit eines Mannes erzwingen? Schick ihm eine sexy Agentin auf den Hals. One-Night-Stand, Kamera. Ab morgen, mein wilder Stier, lieferst du Informationen, oder deine Frau bekommt das Fotoalbum ihres Lebens zugespielt. Mossad und Schin Bet beherrschen die Venusfalle virtuos, manch Familienvater fand sich schon vom Geheimdienst rekrutiert, weil sein bester Freund keine Prinzipien kannte. Und was im arabischen Lager funktioniert, klappt bei bibeltreuen Siedlern allzumal. Taillenabwärts enden alle Unterschiede, selbst bei Frauen haut die Sache hin. Sie haben die Trigger einfach nur an anderen Stellen.
Perlman poliert die Goldrandbügel seiner Brille. Ben-Tov betrachtet ihn unter gesenkten Brauen.
»Sonst noch Ärzte, Pfleger, die uns verdächtig erscheinen?«
»Sagen wir mal so – alle anderen von damals leben noch.«
Sprich, nicht auf
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