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geschäftsmäßigem Tonfall erörtern Männer und Frauen um ihn herum den Stand seiner Verwirrung. Er liegt wie ein seltener Käfer auf dem Rücken, sie schieben ihn in eine Röhre, führen eine MRT durch, das schnappt er gerade noch auf, was ist eine MRT ?
Magnetresonanztomografie.
Hui, nicht schlecht! Sollte bloß nicht versuchen, das auszusprechen, hat es aber auch gleich wieder vergessen, weil ihn nämlich etwas ganz anderes beschäftigt. Weiß noch, sie sind nach Hause gefahren, vom Regierungssitz auf die Autobahn Richtung Schikmim-Farm, nur komisch, sind sie je dort angekommen?
Schlaglichter: der Konvoi. Sicherheitsleute, Chauffeur, Notarzt.
Wie immer.
Arik telefoniert.
»Auusnn Audddo«, erklärt er dem Inneren der Röhre.
Ganz genau, aus dem Auto, aber dann hat der komplette Tross einen U-Turn hingelegt, die Rede war vom Hadassah Hospital. Tempolimit? Nie gehört. Vorfahrt, Sanitäter, Ärzte, verfrachten ihn auf eine Liege, drücken ihm eine Sauerstoffmaske aufs Gesicht, tragen ihn ins Innere.
Piep, Rrrrrrr, Donggg!
Die Röhre wird durchscheinend, löst sich auf, gibt den Blick frei auf umhertanzende Gesichter.
Dr. Boleslaw Goldman, sein persönlicher Leibarzt seit 30 Jahren.
»– so schnell gekommen, wie ich konnte. Wie fühlst du dich, Arik, mein Alter?«
Arik lächelt. »Bo – Bolek.«
Omri, Gilad, seine Söhne. Na, so was. Alle sind hier.
»Wassssisssennn –«
Stop, gleich noch mal, das kannst du besser.
»Wasss – is denn – passierd?«
»Du hattest einen Schlaganfall, ’Aba «, sagt Gilad. »Einen leichten.«
»Nichts Schlimmes«, nickt Omri. »Du brauchst nur ein bisschen Ruhe.«
Schlaganfall.
Das passt aber jetzt gar nicht, denkt Arik und dämmert weg.
»Marit hat als Erste Verdacht geschöpft. Nach dem Treffen mit Peres ist sie noch mal in dein Büro, um dir Verschiedenes zur Unterschrift vorzulegen, und fand, dass du komisches Zeug erzählst.«
»Das tue ich doch seit Jahren«, grinst Arik. »Damit bin ich Premier geworden.«
Gilad lacht.
»Jedenfalls hat sie Lior gebeten, sich selbst ein Bild zu machen.« Lior Shilat, sein persönlicher Assistent. »Der fand auch, du seiest ein bisschen – na ja –« Gilad lässt den Finger an der Schläfe kreisen. »Sie verständigten mich, den Schin Bet, aber dann ging’s wohl erst mal wieder. Bis du während der Fahrt immer unzusammenhängender redetest. Da hab ich dann Goldman angerufen, und der sagte sofort, Schlaganfall, Klinik.«
Seitdem steht das Führungspersonal des Hadassah Hospitals Kopf.
Das ganze Land ist in heller Aufregung. Sämtliche Fernsehsender haben ihr laufendes Programm unterbrochen und Live-Schaltungen zur Klinik eingerichtet, draußen drängt sich die Menge, ein Wunder, dass sie auf dem Vorplatz nicht zelten.
»Und was ist genau der Befund?«, will Arik wissen.
»Blutgerinnsel im Hirn«, sagt Tamir Ben-Hur, Leiter der Neurologie. »Möglicherweise eine Embolie vom Herzen, aber Sie hatten Glück. Seit Sie in der Röhre waren, machen Sie enorme Fortschritte.«
»Wie geht’s jetzt weiter?«
»Auswertung der MRT , Aspirin. Ein, zwei Tage müssen wir Sie schon zur Beobachtung dabehalten.«
»Verstehe.«
Saublöde.
Gerade jetzt.
Vier Monate sind seit dem Abzug vergangen, Arik schwimmt auf einer beispiellosen Welle der Zustimmung. Dabei hatten ihn viele schon als gescheitert abgeschrieben. Ein ausgepowerter General, der den blutigen Terror der Intifada nur dank Arafats unverhofftem Ableben niederschlagen konnte, ein Roboter auf dem Leitstrahl der Macht.
Jetzt gilt er als Visionär.
Im September hat er vor der UN -Vollversammlung gesprochen und weitere Zugeständnisse angekündigt, nichts werde ihn davon abhalten, die Roadmap umzusetzen, alles in seinem monotonen, kantigen Englisch, gefolgt von frenetischem Applaus, und das Beste daran: Anders als sonst haben die Führer der arabischen Länder den Raum diesmal nicht verlassen. Später ließ er Bemerkungen fallen, selbst ein geräumtes Westjordanland sei denkbar, nie ist ein israelischer Führer so weit gegangen. Alle Welt feiert ihn, Abbas spricht von mutigen Schritten, in Israel reicht Ariks Lobby inzwischen bis tief ins linke Lager, und jetzt noch der Coup mit Kadima.
Weil es im Likud nicht mehr ging.
Vergiftetes Klima.
Arik hat die Nase voll von Bedenkenträgern, er will den Neubeginn, eine Kraft, ausschließlich getragen von seinen Ideen. Im Herbst hat er Omri vorfühlen lassen, wer in der Knesset sonst noch Lust auf frischen Wind
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