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Schnelle, alles zusammenpacken, dann auch schon runter, wo der Wagen auf sie wartet.
Abfahrt 7:30.
Rückkehr nicht vor 10:30, 11:00.
Zu spät, ihr das Zeug danach zu verabreichen.
Also bleiben Yael genau zwei Chancen, und gleich die erste hat sie sich vorgenommen zu nutzen. Wartet im Arztzimmer, die Tür geöffnet. Abramovitch, weiß sie, muss auf alle Fälle an ihr vorbei, ganz gleich, ob ihre Plattfüße sie erst zum Schwesternzimmer, in die Kaffeeküche oder zur Medikamentenausgabe tragen. Nun, für Kaffee ist gesorgt. Yael hat welchen aufgebrüht und im Schwesternzimmer bereitgestellt. Schön dünn, wie Abramovitch ihn mag.
6:55.
Schlapp, schlapp –
Unverkennbar die flossenbreiten Gesundheitsschuhe Rivka Abramovitchs.
Im selben Moment stürmt Yossi Backenroth herein, schält sich aus seinem Mantel und winkt mit einer Papiertüte.
»Croissant?«
»Danke.« Was macht der denn schon hier? »Das ist lieb von dir.«
»Weiß doch, wie ich dich rumkriege.« Er zwinkert ihr zu. »Und sei es nur, dass du mit mir den Dienstplan tauschst.«
»Wann?«
»Kommende Woche. Wegen Ephraim.«
Seinem Sohn. Dem er wahrscheinlich versprochen hat, mit ihm zu irgendeiner Sportveranstaltung zu gehen.
Draußen spurtet Abramovitch vorbei, das Kinn vorgereckt.
Yael steht auf.
»Dürfte klappen.«
»Augenblick, ich muss dich was fragen.« Backenroth fischt eine Patientenkurve aus seiner Schreibtischschublade. »Der Patient von 518 –«
»Kann das warten, Yossi?«
»Nicht wirklich. Gleich nach der Visite soll ich zum Boss, und ich bin unschlüssig, was die Therapierung mit Clopidogrel betrifft. Meines Erachtens ist das vor einem so relativ kleinen invasiven Eingriff nicht –«
»In zehn Minuten, ja?«
»Yael. Bitte.«
Abramovitchs Schritte verklingen im Korridor.
Nur die Ruhe.
»Okay, lass sehen.« Beugt sich über den Anordnungsbogen, überfliegt die gekrakelten Eintragungen – laufende Kontrollen, ärztliche Anordnungen, Bedarfsmedikation, den Therapieplan. Backenroths Schulter reibt sich an ihrer, das sind die kleinen Vergnügungen, die er sich gönnt. Braver Ehemann, Vater zweier pubertierender Kinder, mit sich übereingekommen, die Flinte im Schrank zu lassen, solange das Wild nicht Ladehilfe leistet, ha ha !, dabei gleichzeitig bemüht, nicht so schrecklich verheiratet auszusehen. Yael findet ihn eigentlich ganz in Ordnung. Freundlich, hilfsbereit, harmlos. Sie weiß, dass er gewaltig auf sie steht, aber nie würde Yossi sich hinreißen lassen, ihr auf den Hintern zu hauen oder ähnliche Späße. Er ist mit wenig zufrieden, eingerastet im untersten Flirtmodus. Etwas Körperkontakt hier, ein verzeihlicher Spruch da.
Damit fast schon wieder eine Herausforderung. Wenn sie nämlich nur wollte, könnte sie den armen Yossi in arge Bedrängnis bringen, und leider tendiert ein Teil von ihr genau dazu. Nicht zum ersten Mal spürt sie das dunkel lockende Verlangen, ihre Macht über Männer, die sie zweifellos hat, auszuspielen, in ihre kleine heile Welt einzudringen, darin herumzuberserkern und ordentlich Porzellan zu zerschlagen.
Diese dunkle Yael macht der anderen Kopfzerbrechen. Auch, weil sie noch andere, viel schlimmere Dinge zu tun bereit ist, mit weitreichenderen Konsequenzen.
»Ich würde in dem Fall auf Clopidogrel verzichten«, sagt sie.
Backenroth nickt. »Ja, zu dem Schluss war ich auch gekommen. Wenn man andererseits berücksichtigt –«
»Halt es fest, Yossi.« Sie läuft nach draußen, dreht sich noch einmal zu ihm um. »Nicht runterschlucken, was du sagen wolltest. Bin gleich wieder da.«
Mann, denkt sie. MANN !
Konntest du nicht die üblichen 15 Minuten zu spät eintrudeln, wie sonst auch?
Auf dem Gang herrscht reger Betrieb, vorwiegend Pflegepersonal und erste Angehörige. In großen Schritten steuert Yael das Schwesternzimmer an und stößt in der Tür fast mit Abramovitch zusammen, die einen dampfenden Becher vor sich herbalanciert und mit abenteuerlichem Hüftschwung versucht, den Kaffee vor dem Überschwappen zu bewahren.
»Ups!«
Yael tritt zur Seite. »Tut mir leid.«
»Macht nichts, macht nichts.« Abramovitch trinkt ab. »Bin nur in Eile, du weißt ja –«
»Klar«, grinst Yael. »Engste Vertraute des Premiers.«
»Stell dir vor, mein Mann wollte es gar nicht glauben. Du doch nicht!, sagt er. Und ich: Hör mal, was ist denn daran Besonderes, warum nicht ich? Und er: Na ja, warum gerade du? Und ich: Vielleicht, weil jemand der Meinung ist, dass ich das am besten kann , und er
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