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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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für dich behalten. Rück lieber damit raus, was uns morgen Nacht erwartet. Und übernächste Nacht. Und in der Nacht darauf.)
    Sie gehen nach draußen, ins frühe Sonnenlicht. Schalom reckt die Glieder. »Na, jetzt ist erst mal Ruhe.«
    Ruhe?
    Die haben wir am falschen Ort gesucht, mein Schatz.
    In Palästina wird so schnell keine Ruhe einkehren.
     
    Der Ruhe wegen, muss man sagen, sind sie hergekommen.
    Unmittelbar nach ihrer Ankunft werden die Zwillinge geboren, und sie könnten unterschiedlicher nicht sein.
    Da ist Jehuda, rund und zufrieden.
    Kein Wunder.
    Neun Monate lang hat er es sich bequem gemacht, den meisten Platz beansprucht, der Plazenta den Löwenanteil an Nährstoffen und Antikörpern entzogen. Ein gieriger kleiner Prinz. Bester Laune, soweit man das von einem Neugeborenen sagen kann, erweist er der neuen, zugigen Heimat seine Reverenz, jedenfalls kursiert unter den Stationsschwestern bald das Gerücht, schon das erste, lautstarke Atemholen des Jungen sei einem Jubilieren gleichgekommen, als wolle er Palästina, dieses so viel mehr gelobte als geliebte Land, seiner bejahenden Wesensart versichern.
    Famoses Menschenmaterial !, wie es die ruhmreichen Führer der Zionisten ausdrücken würden.
    Und nun Benjamin.
    Der Nachzügler.
    Müht sich nach Kräften, streckt schließlich auch sein glitschiges Köpfchen nach draußen, doch gegen die triumphale Ankunft des Bruders ist seine Geburt ein bloßes P. S. Während sich Jehudas Lungen mit den Stimmbändern zu einem nicht enden wollenden Vortrag über Hunger, Selbstbewusstsein und Körperkraft verbünden, wirkt Benjamin schon vom Leben erschöpft, bevor es überhaupt richtig begonnen hat.
    Er ist zerfurchter, kleiner, stiller.
    Als er endlich schreit, klingt es ganz anders.
    Schwächer.
    Dafür stinksauer.
    Die Wut des zu kurz Gekommenen.

    Der Moschaw Kfar Malal, in dem sie sich niedergelassen haben, liegt rund 30 Kilometer nordöstlich von Tel Aviv in der Scharon-Ebene. Großartiges, fruchtbares Ackerland. In den vergangenen Jahrzehnten haben Pioniere begonnen, die Sümpfe trockenzulegen, jetzt schießen hier die Moschawim und Kibbuzim nur so aus dem Boden, werden Zitrusfrüchte, Feigen, Oliven und Wein angebaut, sieht man zunehmend Herden, die nicht von Arabern in gebauschten Burnussen, sondern von sehnigen jüdischen Pionieren bewacht werden, und das Land verändert sich, wird europäischer.
    Was für eine Entwicklung!
    Aus dem Nichts.
    Noch im Osmanischen Reich war dieses Palästina eine nebulöse Provinz, in der die Zeit sich dahinschleppte, segmentiert nur von den Gebetszeiten. Ein Land voller Mythen und Kamele, archaisch, unzivilisiert, meerseitig Sumpf, dahinter Wüste.
    Alles andere als eine Verheißung.
    Bis eine kollektive Erinnerung Christen, Juden und Muslime sturmwindartig herwirbelte.
    Und plötzlich kamen sie alle.
    Bibelromantiker, Pantheisten, Glücksritter, Exzentriker, Pioniere, Flüchtlinge, Geschäftstüchtige, selbst ernannte Verkünder. In Erwartung des Messias die einen, das Hohelied der Naturverbundenheit singend die anderen. Talmudverse murmelnde Ekstatiker Seite an Seite mit Sozialisten ohne Gott und gutem Geschmack, Erfinder, Gelehrte, Landwirte, Ärzte, Architekten, Künstler, Arbeiter, Bauern, Russen, Polen, Deutsche, Holländer, Perser, Marokkaner, Ägypter, mal mit Gefolge, mal nur mit dem, was sie am Leibe trugen, und selbst das sah aus, als hätten sie sich vier Wochen lang durchs wilde Kurdistan geschlagen. So verschieden voneinander, dass Babel im Vergleich dazu wie eine Hochburg der Verständigung anmutete, und doch geeint von einem schier atemberaubenden Vertrauen in die Ermöglichung des Unmöglichen.
    Kamen und fluteten Palästina.
    Bauten zwischen Pinien, Distelgewächsen und Zitronenplantagen ihr Heimatland im Kleinen nach, russische Zwiebeltürmchen, deutsche Dome, Schwarzwaldhütten, Oxfordkathedralen. Zogen immer neue Einwanderer nach sich, auch weil sich herumsprach, dass jeder, der einen ausgemachten Knall hatte, hier herzlich willkommen war.
    Und Pioniere, muss man sagen, haben fast durchweg einen Knall.
    Überall sonst würden sie auffallen.

    Nicht in Palästina.
    Eine ganze Region erschuf sich neu. Alles, was es anderswo schon gab, feierte in den Breiten der Verheißung seine zweite, glanzvolle Premiere. Wie der Leibhaftige knatterte das erste Automobil durch Galiläas Berge, ein Immigrant beglückte staunende Kinder mit selbstgemachtem Speiseeis, ein rumänischer Lehrer eröffnete Kindergärten, ein

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