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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Moskitokongress zu tagen. Die arabischen Hafenarbeiter machten Vera Angst (später machten ihr alle Araber Angst), die Zionisten in den Dörfern entpuppten sich als Marxisten, Kommunismus und Zionismus ergaben zusammen ein dumpfes Bauernbiotop, in dem sie sich verdorren sah, und genauso kam es. Nach einigen Irrwegen landeten sie in Kfar Malal, ihre Mittel reichten mit knapper Not für einen unbebauten Hektar sonnenverbrannte Erde, und sie begriff, dass sie das Skalpell der Medizinerin gegen einen Pflug eingetauscht hatte.
    »Für alle Zeiten«, sagte sie zu Rachel. »Ich weiß es einfach.«
    Die Art Eingebung war Rachel vertraut, dennoch versuchte sie Vera damit aufzumuntern, auch im Nahen Osten gäbe es Universitäten.
    »Du kannst deinen Abschluss immer noch nachholen.«
    »Als was? Als Viehdoktor?«
    Sagte es mit Lippen, deren verächtliches Kräuseln ihr natürlicher Ausdruck geworden war, da ihr nichts als Beschränktheit und zionistisches Pathos entgegenschlugen. Selbst die Kunstmalerin, auf die sie gewisse Hoffnungen gesetzt hatte, erwies sich bei näherer Betrachtung alsehemalige österreichische Postangestellte, deren Hobby nicht im Entferntesten ihren Fähigkeiten gleichkam.
    Außerdem sprach Vera nur Russisch.
    Nicht allein infolge solch widriger Umstände herrschte von Beginn an Feindschaft zwischen den Scheinermanns und dem Moschaw. Samuel war durch und durch Idealist, sein Zionistenbild das einer zwar arbeitsamen, gleichwohl kultivierten, um nicht zu sagen dem Weltdurchschnitt überlegenen Gesellschaft. Wie Vera verachtete er seine Nachbarn, außerdem ließ sein Gebaren darauf schließen, dass er die Menschheit im Ganzen verabscheute. Die Vision einer jüdischen Heimstatt von Landflüchtigen, Spinnern und Spießern umgesetzt zu sehen, deren Erscheinung und Intellekt in nichts dem Ideal entsprach, das die Propagandaplakate vom neuen Juden zeichneten, bereitete ihm körperliche Qual. Er vermochte nicht zu akzeptieren, dass die Menschen in den Gedankengebäuden ihrer Philosophen so deplatziert wirkten wie Affen im Frack. In Samuels Welt dienten Ideale dazu, das Mangelhafte im Menschen zu überstrahlen, das aber nun mal seine Natur war, also mochte er niemanden, und niemand mochte ihn.
    Als Rachel und Schalom sich in Kfar Malal einrichteten, hielten sie die zugige Holzhütte der Scheinermanns zuerst für einen Stall. Samuel hatte sie eigenhändig gebaut, und so talentiert der Kerl in vielerlei Hinsicht war, erwies er sich in handwerklichen Dingen als ausgemachte Niete.
    Ein windschiefer Zaun umlief das Grundstück.
    Niemand in Kfar Malal pflegte sich einzuzäunen.
    Sofort entwickelte Rachel Sympathien für die Leute, die dort wohnten, wer immer sie sein mochten. Die anderen Mitglieder des Moschaws erzählten ihnen, die Scheinermanns wären blasiert und verrückt. Statt anzupflanzen, was alle anpflanzten, experimentierten sie mit Orangen, Clementinen, Baumwolle und Avocados, obendrein weigerten sie sich, ihre Ernte wie jedermann an die Genossenschaft zu verkaufen, lieber verhökere Samuel sie am Straßenrand.
    Mit denen sollten sie sich gar nicht erst einlassen.
    »Interessant, was«, sagte Rachel zu Schalom, nachdem man sie im Büro des Moschaw hinreichend geimpft hatte.
    »Tja. Die stellen sich halt außerhalb der Gemeinschaft.«
    »Ganz genau. Ich glaube, ich will auch einen Zaun.«
    Und sie ging schnurstracks zu den Geächteten, um sie kennenzulernen.
     

    Vera: »Willkommen.«
    Rachel: »Danke.«
    »Schon gehört, wie sie unser feines Kfar Malal in Kfar Saba nennen?«
    Nein, hat sie nicht, Rachel ist froh, dass ihr Hebräisch ausreicht, Kfar Malal zu übersetzen: das Dorf Moshe Leib Lilienblum.
    »Lächerlich. Ich nenne es Kfar Umlal .« Spuckt die Worte vor Rachel in den Sand. »Dorf des Elends.«
    »Hieß es nicht bis kürzlich noch Ein Chai: Quelle des Lebens?«
    »Wohl eher Ain Chai.«
    Kein Leben.
     
    Woran sich ermessen ließ, in welch unsterblicher Liebe Vera zu ihrem neuen Wohnort entbrannt war.
    Na gut, kein fließendes Wasser, kein Strom.
    Schon schwierig.
    Aber kein Leben –
    Schalom tat sich anfangs ein bisschen schwer, er wollte nicht gleich alle gegen sich aufbringen, indem er sich mit den Querulanten befreundete. Sah man ja, wohin zu viel Nonkonformismus führte. Seit dem kleinen Landkrieg herrschten zwischen den Scheinermanns und dem Rest des Dorfs kriegsähnliche Zustände.
    »Das war nämlich so«, klärte der Vorsteher des Moschaws sie auf. »Sie sehen unweit von hier Ramat

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