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Breaking News

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Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Dirigent aus der Ukraine gründete eine Operngesellschaft. Während ein niederländischer Christ den Galiläern Esperanto zur Verständigung nahelegte, übersetzte ein polnischer Jude Alice in Wonderland ins Hebräische, und ein muslimischer Palästinenser verschrieb sich der Gründung einer arabischen Universität auf galiläischem Boden. Jede Menge kleine Tolstois strömten ins Land, um von früh bis spät den Buckel krumm zu machen und der Natur im sengenden Wüstenwind ihr Bestes abzuringen, wahrer, marxistischer Zionismus. Die Christen verzogen sich fast alle nach Jerusalem, die Glücksritter und Intellektuellen träumten von einer schimmernden Perle am Mittelmeer und stampften Tel Aviv aus dem Boden, die Pioniere machten das Land urbar.
    Somit sind die Kahns nun Pioniere.
    Und hingebungsvolle Eltern.
    Sie lieben ihre Kinder ohne Unterschied. Doch wie es so geht, wenn Vorzeichen den Weg säumen, bekommt fortan der eine alles, was der andere gern hätte, und Benjamin mit seinem alten, furchigen Geist, zweifellos der Klügere von beiden, bekommt Bücher.
    Einen ganzen Stapel, als die Zwillinge sechs Jahre alt werden.
    Jehuda bekommt einen Knüppel.
    So wie Arik.

1934
    Benjamin hätte auch gern einen Knüppel.
    Aber niemand traut ihm zu, dass er damit umgehen kann.
    Das ist sein Problem.
    Denn der Moschaw muss verteidigt werden gegen Übergriffe arabischer Banditen, und Verteidigung ist allemal ehrenvoller, als in einem bedrohten Weiler Die Abenteuer des Odysseus zu lesen. Nichts gegen Homer, Dickens und Swift, nur, mit Intellektuellen haben sie’s hier nicht so, sind eh schon zu viele im Land, eingebildetes Pack. Nicht mal im Dorf findet man Ruhe vor denen. Dieser Samuel Scheinermann etwa mit seiner hochnäsigen Vera Shneorov, hierhergeflohen aus Tiflis vor den Nachstellungen georgischer Bolschewiken, der ist nicht einfach Landwirt. Nein, der ist studierter Landwirt! Und sie dermaßen eingenommen von ihren paar Semestern Medizin, dass sie den kleinen Arik, als er im Alter von vier Jahren vom Esel fiel und sich an einem spitzen Stein den Kopf blutig schlug, sage und schreibe wie ein Opferlamm ins benachbarte Kfar Saba getragen hat, auf beiden Armen, nachts über die Felder, weil sie den hiesigen Medizinern nicht übern Weg traute, ist das zu glauben?
    Intellektuelle?
    Hör mir bloß auf mit Intellektuellen.
    Den Intellektuellen Tel Aviv.
    Den Christen Jerusalem.
    Den wahren Zionisten –
    DAS LAND !
    Demzufolge, sagt Schalom eines Morgens mit Blick auf seinen kleinen Landbesitz, sei er ein wahrer Zionist, weil er seinen Berliner Eisenwarenladen gegen einen galiläischen Süßkartoffelacker vertauscht habe und vier Ziegen im Stall halte.
    Demzufolge, kontert Rachel, sei er ein wahrer Heuchler, weil er so tue, als wären sie nicht tausendmal lieber ins verdammte Amerika ausgewandert, bloß dass das Geld nicht reichte.
    Da muss er nicken.
    Zumal der Moschaw Kfar Malal, in dem sie sich niedergelassen haben, nicht unbedingt ihre erste Wahl war. Eigentlich hatten sie über Jerusalem nachgedacht, noch lieber Tel Aviv, wo man den Bedürfnissen ausgewanderter Großstädter nach besten Kräften gerecht wird, aber dort hapert es an Jobs, und mal ehrlich, in keiner Stadt der Welt willst du mit zwei Babys im Bauch und ohne Arbeit stranden. Also sind sie der Empfehlung eines Bekannten ins ländliche Kfar Malal gefolgt, wo man die Fähigkeiten einer Schneiderin und eines Schlossers zu würdigen weiß, außerdem können sie hier ihren eigenen Hof bewirtschaften.
    Ein Moschaw, immerhin. Besser als ein Kibbuz, der den bürgerlichen Kahns dann doch zu viele marxistische Dehnübungen abverlangt hätte: Kindererziehung Gemeinschaftssache, keinerlei Privatbesitz, der ganze Kokolores. Zwar gehören auch im Moschaw Maschinen und Fuhrpark dem Kollektiv, aber wenigstens führt man hier seinen persönlichen Haushalt, beackert eigenen Grund und Boden, entscheidet, was man anbaut, und kann sicher sein, dass einem nicht ständig mitteilungsbedürftige Bolschewiki in der Bude rumhängen und die Vorräte wegsaufen, wenn man unter sich sein will. Der Verkauf des Eisenwarenladens hat die Reise gedeckt und gerade gereicht, um das baufällige Häuschen samt Ackerfläche zu erwerben, aber hier haben sie wenigstens ihre Privatsphäre.
    Und Rachel und Schalom sind gern unter sich.
    So sehr allerdings, wie die Scheinermanns unter sich bleiben –
    Das geht den meisten hier dann doch zu weit.
     
    Letzten Endes, sagt die adipöse Kunstmalerin, die

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