Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
der schwer in der Hand liegt und Benjamins ganze Sehnsucht auf sich vereint.
    Weil er so gerne dazugehören möchte.
    Benjamin hasst seine Bücher.
    Hasst seine Schwäche.
    Hasst sich selbst mehr als alles andere auf der Welt.
    Und Rachel, die ihn leiden sieht, weiß sehr genau, wie es in ihrem Sohn aussieht, und sie versteht ihn nur zu gut.
    Dieses Gefühl, nicht dazuzugehören.
    Seit ihrer Ankunft im Nahen Osten zehrt es sie auf, kein Wunder, dass Vera und sie einander so nahe sind. Sie hat gelernt, mit dem Verlust ihres Zuhauses klarzukommen, jetzt erfährt sie, was es heißt, ein Land Heimat nennen zu müssen, das alles für sie ist, nur nicht Heimat. Nie sein wird. Man kann ihr Schwarzmalerei unterstellen, doch sie weiß es einfach – eine klare, unbestechliche Gewissheit, so wie Vera weiß, dassihr Traum, noch einmal zu studieren, ein Traum bleiben wird. Rachel fühlt, dass sie in diesem Land, trocken und von Wüstenwinden durchzogen, als atme einen ein Ungeheuer an, sterben wird, ohne je in seiner Erde gewurzelt zu haben. Hätten sie Berlin denn je verlassen, wären die Vorzeichen nicht so düster gewesen? Was andere Diaspora nennen, war ihr Zuhause, jetzt lebt sie in der Diaspora – in dieser von zionistischen Vordenkern verordneten neuen Welt.
    (Gut, vielleicht haben die Vordenker ja recht.)
    (Ganz sicher haben sie recht.)
    Doch sie kann keine Wärme aufbringen für das vom Legendenmuff durchzogene Palästina. Und auch Schalom, ihr eifriger Süßkartoffelzüchter, wirkt ratlos, obschon er den zionistischen Traum noch in Deutschland bereitwillig geträumt, dem Leben hier voller Erwartung entgegengeblickt hat, bereit, sich verzaubern zu lassen, vielleicht sogar ein bisschen religiös zu werden im Gelobten Land, doch seit er im Paradies ist, vermisst er es nur umso schmerzlicher.
    Hier zu sein, stillt seine Sehnsucht nach Zion nicht.
    Es nährt sie.
    So leiden er und Samuel jeder auf seine Weise, während sich Rachel und Vera eingesperrt fühlen in Käfigen aus Sachzwängen und fiebrigen Ideologien. Aus Ländern geflohen, in denen sie lieber geblieben wären. An der Seite von Männern, deren einer am Mittelmaß verzweifelt, während der andere sich einzureden versucht, auf einem Süßkartoffelacker seine Erfüllung gefunden zu haben.

1935
    Auch wenn sie in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen und ihre Eltern eine dem Moschaw unverständliche Freundschaft pflegen – so richtig nehmen sie einander erst wahr, als die Schulzeit beginnt.
    Beziehungsweise, da erst fällt Jehuda auf, dass er Arik eher selten wahrnimmt.
    Weil der so oft alleine unterwegs ist.
    Der Frühling verwandelt die Umgebung Kfar Malals in einen Traum. Die Scharon-Ebene ist parzelliert in Felder und Plantagen, Reihen um Reihen soldatisch ausgerichteter Bäumchen, reich an Zitrusfrüchten, Granatäpfeln, Feigen und Oliven. Feldwege vernähen die Äcker zu einem Flickwerk unterschiedlichster Tönungen und Texturen. Dazwischen unbebautes Land, wilde Wiesen, gesättigt von Geranien, Passionsblumen und Anemonen. Über wogendes Grün fliegt der Blick bis an den Rand kühler, verschwiegener Wäldchen, es riecht nach Disteln, Blütenstaub, nach dem Salz der fernen See, Dünger und Ziegenscheiße, die Luft schwingt vom Sirren und Brummen der Insekten, ein Land im Rausch, sich fortzupflanzen. Wochen später wird die Hitze den Boden ausgedörrt und alle Farben hinweggesengt haben, doch jetzt ist es der Garten Eden.
    Oder könnte es sein.
    Die vergangenen Jahre waren ruhig, gemessen an den Geschehnissen von 1929. Unter der Ägide des neuen Hochkommissars kehrten die ersten jüdischen Familien zurück nach Hebron. Bezogen ein Zuhause, das keines mehr war, eskortiert von Militärpolizei. Schauten sich um, und die Araber schauten weg, manche aus Wut, die meisten aus Scham, während andere den Zurückgekehrten halfen, ihre verwüsteten Häuser herzurichten. Wie eine Klammer lag die ordnende Kraft der Mandatsmacht jetzt um Hebron. In Jerusalem deuteten sie die Ruhe als Zeichen der Normalisierung. Die alten Verhältnisse wiederherzustellen, erzählte der Hochkommissar beschwingt seinen Abendgesellschaften, sei einzig eine Frage der Zeit, klappe ja, wie man sehe.
    Damit lag er falsch.
    Tatsächlich setzt sich die Gewalt fort, nur dass kein mordender Mobmehr durch die Städte zieht. Eher vereinzelt flackert sie auf, trifft hier ein Gehöft, dort eine Siedlung, schleicht sich in den Alltag ein, bis sie etwas von schlechtem Wetter hat.
    Ärgerlich, aber

Weitere Kostenlose Bücher