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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Üblicherweise nimmt er die Demütigungen schweigend hin, nur, was würde Jehuda dazu sagen?
    Und Benjamin?
    Er hat jetzt Freunde.
    Er muss sich nicht mehr alles gefallen lassen.
     
    In dieser Nacht – Samuel arbeitet sich an Veras moralischer Wiederaufrichtung ab, sodass er das Zuspätkommen seines Sohnes gar nicht registriert – findet Arik keinen Schlaf.
    Ihm ist klar, dass sich etwas Grundlegendes ändern muss.

    Und zwar schnell.
    Am Morgen weiß er auch, was.
    Den ganzen Tag über kommt er geduldig seinen Pflichten nach, hilft seinen Eltern auf dem Feld, in der Scheune und im Stall, bis sich gegen Nachmittag die Gelegenheit zu einer Pause ergibt.
    Geht dorthin, wo die anderen Kinder spielen.
    Den Ast hat er weggeworfen.
    In seiner Hand liegt der Knüppel, den er dieses Jahr zum Geburtstag bekommen hat. Die Kinder sind mit irgendeiner Art Nachlaufen beschäftigt. Wie passend. Seine übelsten Widersacher auf einem Haufen versammelt. Genau die Clique, die ihn mit Vorliebe schikaniert, und natürlich sind die Rädelsführer von gestern mit dabei.
    Arik sagt kein Wort.
    Marschiert schnurstracks auf einen der beiden zu, der ihn erst wahrnimmt, als er fast schon da ist, ein selten dämliches Gesicht aufsetzt, dann breit und herablassend grinst.
    »Ach nee. Was willst du denn hie –«
    Holt aus und lässt den Knüppel auf den rechten Oberarm des Jungen niedersausen, dass es knackt.
    »Au! Du blöder –«
    »Blöder was?« Noch mal. Und noch mal. »Bulle?«
    Noch mal.
    »Aaah! Aua!«
    Anfangs versucht der andere, sich zu wehren, dann nur noch, sich zu schützen, Sekunden später liegt er wimmernd am Boden, während Arik sich unter den Blicken der wie paralysiert dastehenden Kinder seinen entsetzten Kumpel vorknöpft.
    »Aber ich hab dir doch gar nichts –«
    Hier reicht ein einziger Schlag.
    Und die Tränen fließen.
    »Wenn ihr noch einmal Bulle sagt«, ruft Arik ihnen beim Weggehen über die Schulter zu, »mach ich euch platt.«
    Ein wildes Gefühl der Befriedigung durchloht ihn, und auch eine Spur schlechten Gewissens. Er weiß schon, das war unverhältnismäßig. So hart hätte er gar nicht zuschlagen müssen.
    Aber es hat gewirkt.
    Merkt es euch, denkt er. Wer mir was tut, kriegt es dreifach zurück.
    Dreifach?
    Zehnfach.
     

    Bei aller Gemeinsamkeit finden Samuel Scheinermann und Schalom Kahn in politischen Dingen nicht zusammen.
    Zum Beispiel, was Araber angeht –
    »Man muss auch sie verstehen«, sagt Schalom eines Abends, als Samuel noch auf ein Glas vorbeischaut.
    »Warum?«, knurrt der. »Wegen des Blödsinns, sie seien als Erste dagewesen?«
    »Es ist ihr Land ebenso wie unseres.«
    »Sie waren aber nicht als Erste da. Wir waren vorher da.«
    »Wer?«, fragt Jehuda und schaut von seinem Vater zu Samuel. »Du?«
    »Nicht ich. Wir.«
    Das begreift Jehuda nicht. Immerzu hört er Wir, aber damit scheinen andere gemeint zu sein.
    Vornehmlich solche, die schon tot sind.
    Seit hundert Jahren.
    Oder drei Millionen Jahren. Wer weiß das?
    »In Palästina ist für alle Platz«, meint Schalom versöhnlich und knabbert an einem Blättchen Minze.
    Rachel sagt: »Mir fehlt der Ku’damm.«
    Jehuda schweigt.
    Die Welt ist ihm ein Rätsel.
     
    »Wisst ihr, was’n Kudamm ist?«, wirft er in die Runde, als Scheinermanns Junge tags drauf an der Haustür vorstellig wird, um die Zwillinge zur Schule abzuholen. Seit gestern beschäftigt ihn der Kudamm ungemein, aber er hat sich nicht getraut zu fragen.
    Der Kudamm macht Rachel irgendwie traurig.
    Arik zuckt die Schultern. »Keine Ahnung.«
    »Wie kommst ’n darauf?«, fragt Benjamin.
    »Mama sagt, er fehlt ihr.«
    Benjamin überlegt und zeigt schließlich über den Hof zur Einfahrt. Durch das offene Tor kann man die Straße und dahinter leicht ansteigendes Wiesenland sehen.
    »Wahrscheinlich da, wo die Viecher immer entlanggetrieben werden.«
    »Da ist der Kudamm?«
    »Keine Ahnung. Ja. Oder?«
    »Warum fehlt er Mama dann, wenn er gleich da drüben ist?«
    »Wovon redet ihr Blödmänner?«, will Arik wissen, der nicht das Geringste versteht. Im Hause Scheinermann wird Hebräisch und Russischgesprochen, da ergeben Koinzidenzen zwischen Kurfürsten und Rindviechern keinen Sinn. Jehuda und Benjamin, die außer Hebräisch auch Deutsch sprechen, sind ihm da voraus, Rachel hat ihre Kinder zweisprachig erzogen. Sie liebt es, zu Hause Deutsch zu sprechen, mehr noch als Russisch. (»Und doch hättest du allen Grund, die Sprache im hohen Bogen auszuspucken und nie wieder in den

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