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seine Häuser, Scheunen und Stallungen vor sich liegen, legal erworbenen Grund und Boden, weiß noch genau, wie er den Kauf mit dem arabischen Vorbesitzer begossen hat, von wegen Muslime trinken nur Tee, seinen Wodka jedenfalls mochte der Mann sehr, und jetzt fressen die Flammen alles auf, seine Zukunft und die seiner Familie.
Seine Familie!
Er muss sich irgendwie befreien. Er hat versprochen, sie zu beschützen, was immer auch passiert. Er kann sich doch jetzt nicht an einen Baum hängen lassen, so darf es nicht enden!
Wach auf, Wlad. Du träumst.
Ja, das ist es, du träumst.
Wach auf! WACH AUF !
Eine hochgewachsene Gestalt setzt sich von dem Inferno ab, kommt herübergerannt.
Sein ältester Sohn.
Schreit seinen Namen.
Die Peiniger lachen. Manins Füße baumeln im Nichts. Wie soll er ihnen bloß klarmachen, dass sie einen Fehler begehen, dass sie ihn nicht würden töten wollen, wenn er nur Gelegenheit bekäme, ihnen seine Geschichte zu erzählen, damit sie verstünden –
Alter Narr.
Verstehen? Die?
Also meinetwegen tötet mich, ihr Ungeheuer, aber lasst meine Familie leben. Sie haben euch nichts getan. Ihr könnt keine Menschen töten, die ihr nicht kennt, lasst euch erst ihre Geschichte –
Ein Schuss dröhnt in seinen Ohren. Die Finger, die ihn eben noch hielten, gleiten kraftlos an ihm ab, ein Körper schlägt dumpf vor ihn hin. Sein Gesichtsfeld färbt sich rot, in seinen Ohren beginnt es zu rauschen und zu pfeifen. Keine Bilder mehr, keine Gedanken, nur noch Schmerz.
Dann nicht mal mehr das.
Zäh ist er, dieser Wladimir, viele haben versucht, ihn zu brechen, doch als sein Sohn ein weiteres Mal feuert, hat sein Herz bereits ausgesetzt.
Und das ist gut so.
Auf diese Weise bekommt er nicht mehr mit, wie sein anderer Peiniger, bevor auch er getroffen zu Boden sinkt, die Fackel reckt, sie an Manins Nachtgewand hält und ihn selbst in eine Fackel verwandelt.
»Wasserpfeife oder Zigaretten?«
»Immer noch Zigaretten.«
»Du solltest endlich umsteigen«, sagt Tufik as-Azuri und schiebt drei Päckchen Simon-Arzt-Zigaretten über den Tresen. »Wasserpfeife hat einfach mehr Stil.«
»Ich bitte dich. Was soll Rachel sagen? Ich mit unterschlagenen Beinen, Wasserpfeife rauchend, Mokka trinkend.«
»Sie würde sagen, ein kultivierter Mann.«
Schalom Kahn lacht und bezahlt.
»Ich würde nur euer Selbstwertgefühl unterhöhlen, wenn ich das täte.«
»Du wärst sogar schön blöd«, grinst as-Azuri. »Wir würden sagen, wieder so ein mieser zionistischer Trick. Jetzt versucht ihr uns schon fertigzumachen, indem ihr uns imitiert.«
Kahn reißt eines der Päckchen auf und bietet as-Azuri eine an. Der wehrt mit erhobenen Händen ab.
»Auf keinen Fall!«
»Ja, ja«, pafft Schalom. »Das Erste, was du tust, wenn ich hier raus bin, ist, dir eine von denen anzustecken.«
Weil nämlich eure nationalistischen Führer die Gewohnheiten der Mandatoren nur allzu gern übernehmen. Sich westlich kleiden, Earl Grey klebrigem Pfefferminztee vorziehen, im Plausch mit den Vertretern der feinen britischen Gesellschaft einen Kokon des Einvernehmens um sich lagern, gesponnen aus dem Rauch kubanischer Zigarren.
»Ach, das ändert sich gerade«, lächelt as-Azuri.
»Wenn du meinst.«
»Du glaubst mir nicht?«
»Du glaubst es doch selbst nicht.«
»Sollte dir entgangen sein, dass die Vertreter des Obersten Arabischen Komitees auf dem Berg des bösen Rates neuerdings nach arabischem Mokka und Wasserpfeife verlangen?«
Der Berg des bösen Rates – südlich Jerusalems residiert der britische Statthalter auf einem Hügel, den selbst fromme Juden und Christen notorisch mit dem biblischen Berg des bösen Rates verwechseln, dabei liegt der ganz woanders.
Aber es passt so schön.
Wo thronen die Besatzer? Auf dem BÖSEN , BÖSEN Berg.
»Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur arabischen Nation«, nickt Schalom. »So schafft ihr es bestimmt.«
»Höre ich da Spott?«
»Das will ich doch meinen.«
Aufgeladen, wie die Stimmung ist, wäre ihr harmloser Dialog woanders längst in Handgreiflichkeiten umgeschlagen. Doch Juden und Araber pflegen mehr Freundschaften, als den Scharfmachern lieb ist. In den Kibbuzim mögen sie unter sich bleiben, in den arabischen Gemeinden die Zionisten zur Hölle wünschen – ökonomisch sind beide aneinandergekoppelt, kulturell miteinander verwoben und emotional verstrickt, ob es ihnen nun passt oder nicht.
Und Hass ist nur die dunkle Seite des Mondes.
Schalom Kahn kennt Tufik as-Azuri
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