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seit sieben Jahren, und er kann nichts Schlechteres über ihn sagen, als dass der Tabakhändler nicht immer seine Lieblingssorte auf Lager hat.
»Ein Volk ohne Selbstbewusstsein muss verdorren wie eine Blume in der Wüste«, sagt as-Azuri und dreht sich in seinem winzigen Laden um und um auf der Suche nach Streichhölzern. »Wo beginnt denn Selbstbewusstsein, Schalom? Doch mit der Besinnung auf die eigene Kultur, oder? Auf Tradition und Werte.«
»Die euer Mufti gerade bei den Nazis sucht.«
Und nicht nur da. Auch bei Mussolini ist er vorstellig geworden. Der von den Briten installierte Interessenvertreter aller palästinensischen Araber hat jahrelang ein doppeltes Spiel betrieben: Unruhen geschürt, dann wieder den Diplomaten gegeben, dem Hochkommissar seine kriecherische Aufwartung gemacht, sich dem Jischuw, der jüdischen Gemeinde, angedient, erneut gezündelt, wie es ihm gerade passte. Damit ist es vorbei. Der arabische Furor lässt ihm keine Wahl mehr, die Revolte wird ihn hinwegfegen, wenn er jetzt nicht Position bezieht, also gefällt er sich neuerdings in der Rolle des Revolutionärs und sucht Unterstützung für den arabischen Nationalismus im Ausland.
Und wen könnte einer, der Briten und Juden gleichermaßen loswerden will, in diesen Tagen wohl aufsuchen?
Die Welt ist ein Wettbüro.
Auf Hitler setzen die meisten.
Mussolini, schwer zu sagen. Kam recht eindrucksvoll aus dem Vorhang gestürmt, aber gegen Hitlers kalte Intelligenz nimmt er sich aus wie ein Operettenfaschist. Pompös sind beide, der Italiener lächerlich, der Deutsche grotesk, aber wer macht das Rennen?
Vielleicht doch eher Stalin?
Was schert es den Mufti, es geht ihm nicht darum, den Plänen des einen oder anderen Respekt zu erweisen. Nur um die Frage, wer im Heiligen Land demnächst am Ruder ist – anders gesagt, wen kann man sich zunutze machen, indem man ihm beizeiten nützt.
»Hitler empfängt viele Besucher.« As-Azuri streicht Schaloms Geld ein. »Irgendwann empfängt er auch einen von euch.«
»Nie im Leben!«
»Wollen wir wetten?«
»Juden verhandeln nicht mit Nazis.«
» Welche Juden, Schalom?« Der Araber macht eine Kopfbewegung hinaus auf die Straße. »Ihr seid mindestens so zerstritten wie wir. Einer von euch wird verhandeln.«
Und Schalom denkt, machen wir uns nichts vor.
Wo er recht hat, hat er recht.
Letztlich, was tun wir denn? Importieren europäische Kultur, etikettieren sie zu hebräischer um, möchten aber alles traditionell Jüdische am liebsten in der Diaspora belassen. Weil es uns peinlich ist. Das Frömmelnde, Larmoyante, im Opfermythos Verhaftete. Das alles wollen wir nicht mehr sein. Also auf nach Palästina, großartige Chance, Stunde null, hier kann er werden, der neue Jude, nur, wenn man sich so umschaut:
Wo ist er denn?
Wir sind uns so einig wie Hunde, die einander anbellen.
Unaufhaltsam wächst die Kluft zwischen Arbeiterbewegung und Revisionisten. David Ben Gurion hat klug taktiert, den versprengten Linken eine Heimat geschaffen, Mapai gegründet, die Arbeitspartei des Landes Israel. Überhaupt, sehr geschickt, diesen Begriff zu benutzen: Israel. Damit rührt er an die Herzen, und die Gewerkschaft einzubinden, sichert ihm die Unterstützung der jüdischen Untergrundarmee Hagana – doch trägt ihm das nur umso mehr den Hass der Revisionisten ein. Unversöhnlich stehen sich beide Lager gegenüber. Ein extremistisches Grüppchen gewinnt an Einfluss, im Volk Irgun gerufen. Ein Arm am Baum der Weltorganisation Zionistischer Revisionisten, deren Gründer, ein gewisser Jabotinsky, die gemäßigte Politik Ben Gurions rundheraus ablehnt. Während der das britische Mandat begrüßt und eine friedliche Koexistenz mit den Arabern anstrebt, sagt Irgun allen Kompromissbereiten den Kampf an!
Kein Staat für die Araber, keine Verlängerung des britischen Mandats, ganz Palästina den Zionisten.
Im Klartext: Anschläge.
Terror mischt sich mit Terror. Die Araber rufen landesweite Streiks aus und organisieren den bewaffneten Widerstand, Irgun-Aktivisten sprengen britische Polizeistationen in die Luft, zünden Bomben in Cafés, Restaurants und auf öffentlichen Plätzen, sabotieren Eisenbahnstrecken und Strommasten, treffen die Mandatsmacht, wo sie können, bedrohen, demoralisieren und verjagen arabische Zivilisten. Es gäbe keine Zukunft in der Diaspora, wettert Jabotinsky, denn –
»Alle Juden dort werden vernichtet werden. Die einzige sichere Zukunft ist das verheißene Land Israel. Wenn wir unser
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