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Volk retten wollen, müssen sie jetzt auswandern! Solange wir die Diaspora nicht liquidieren, wird sie uns liquidieren!«
PS : Wir brauchen den Platz, wir haben nur Palästina, ihr Araber hingegen habt den ganzen Nahen Osten.
Arabien, so weit das Auge reicht.
Also verzieht euch.
Geht zu euren Freunden nach Transjordanien, Syrien, Ägypten, Libyen, Saudi-Arabien.
»Von wegen«, sagt as-Azuri. »Die sind nicht unsere Freunde.«
»Warum betonen sie dann ständig ihre Solidarität mit euch?«
»Weil sie wollen, dass wir hierbleiben. Dafür bräuchten wir einen Staat. Andernfalls, da ihr Zionisten euch dermaßen breitmacht, müssten wir auswandern und ihnen zur Last fallen.«
Denn der Araber ist nicht des Arabers Freund.
Und der Jude nicht der des Juden.
Zionisten. Muskeljuden. Neue Juden. Nationalisten. Revisionisten. Säkulare. Ultraorthodoxe.
Wer zum Teufel sind wir?
Vielleicht, denkt Schalom, während er hinaus auf die belebte Geschäftsstraße Tel Avivs tritt, sollten wir das Problem anders angehen.
Nicht fragen, wer wir sind.
Sondern, wer wir sein wollen.
»Schalom!«
Sieht sich um.
Nicht einfach, wenn man eine gängige Begrüßungsfloskel zum Vornamen hat.
Ein Mann kommt über die Straße gelaufen. Eher gehoppelt, so wie er das rechte Bein nachzieht. Drängt sich zwischen Handkarren, Fahrrädern und Bussen hindurch, weicht schnaufenden Automobilen aus, umrundet singende Pioniere in blauen Hemden, feilschende Geschäftsleute, Kavaliere und teuer gekleidete Ladys, ein Grüppchen litauischer Orthodoxer, gestikulierend im Gespräch, schläfenbelockte Talmudschüler, kichernde arabische Mädchen, dahineilend und scheue Blicke werfend, ein aus der Zeit gefallenes Liebespaar.
Dave Carmichael.
Schalom stutzt. Was kann so dringend sein, dass der Engländer seine lädierten Knochen über die Dizengoff Street hetzt? Carmichaels Café liegt schräg gegenüber von as-Azuris Tabakkontor, eingezwängt zwischen den Praxisräumen eines Veterinärmediziners und einer Filiale der Anglo-Palestine-Bank. Beliebter Treffpunkt jüdischer und britischer Intellektueller, die hier ihr Frühstück einnehmen, internationale Zeitungen lesen und Mokka schlürfenden, Kufiya tragenden Arabern Gespräche über Lawrence von Arabien aufnötigen.
»Hast du gehört?«
»Was?«
Carmichaels Stimme versucht sich gegen den Lärm der belebten Straße durchzusetzen.
»Hast du von Kfar Manin gehört?«
»Nein, was denn?«
»Manin ist tot.« Kommt keuchend zu stehen, ein Geschirrtuch in der Rechten.
»Manin? Was? Wladimir Manin?«
»Diese verdammten Fanatiker! Haben sein Gehöft überfallen, die Felder niedergebrannt. Ihn an einen Baum gehängt und angezündet, ich würde sagen, es reicht.«
Schalom blickt auf den kleinen, drahtigen Mann hinab, dessen akkurat gestutzter Schnurr- und Unterlippenbart etwas von Zierbepflanzung hat. Carmichael war mal Offizier der Mandatstruppen, bis er während der Unruhen vor acht Jahren einen Säbelhieb ins Bein bekam.
Ende der Karriere.
Seitdem bevorzugt er es, Kaffee an Tische zu tragen.
»Ich sag dir was, alter Junge. Das ist ein Aufstand. Das sind keine Vorfälle mehr, die rotten sich gegen uns zusammen.«
Uns ist gut, denkt Schalom. Nie hassten sich Briten und Juden mehr, aber immerhin, mit Blick auf bewaffnete Araber reicht es noch zu verbindenden Pronomina.
Schaudert.
Kfar Manin.
So nahe.
»Neun Tote in Jaffa, vergangene Woche«, fährt Carmichael in lustvollem Entsetzen fort. »Und erst der Versorgungskonvoi. Nicht gehört? Keine drei Tage her, von Haifa durch die Berge zum Militärposten Safed. Landmine. Einer unserer Jungs, draufgebrettert. Nur noch sein linker Fuß, mehr war nicht übrig, sein linker Fuß mit dem Stiefel dran,danach haben sie den Konvoi unter Feuer genommen, aber wir haben es ihnen gegeben, Allmächtiger! Siebzehn Jahre alt! Nur noch sein Fuß, Mann, die erklären uns den Krieg!«
Haben sie doch schon längst, denkt Schalom.
Und wir ihnen. Und alle zusammen den Briten.
Hebron hat alles verändert, seitdem reißen die Anschläge nicht ab. Über 10 000 sollen es seitdem gewesen sein. Mehr als 2000 Tote, ein Drittel davon Juden, viele Engländer, überwiegend Araber. Nun, verdünnt auf sieben Jahre kann man sich 10 000 Anschläge alltagsverträglich reden, und bis jetzt haben sie Kfar Malal verschont.
Aber wie lange noch?
»Woher weißt du das von Manin?«
Carmichael zeigt mit flatterndem Geschirrtuch auf sein Café.
»Ein Haufen dieser
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