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Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)

Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)

Titel: Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Crossan
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als euer frisch gekürter Präsident vor euch. Das Amt hatte jedoch einen hohen Preis. Wir gedenken heute Cain Knavery und wollen ihm in Anwesenheit seiner Kinder als Zeichen des Respekts eine Schweigeminute zollen. Danke für euer Kommen. Unser tiefstes Beileid.« Niamh richtet sich auf. Ich beiße mir von innen in die Wangen. Mich hier anglotzen zu lassen geht mir schwer gegen den Strich, und erst recht dieses zwangsverordnete Mitleid. Vine senkt den Kopf. Alle tun es ihm nach.
    Und schon wird losgeschwiegen: Zeit zum Gedenken an meinen Vater. Wie er nachts sturzbesoffen nach Hause kam und mühsam gebändigt werden musste, damiter in der Küche nicht alles kurz und klein schlug. Oder an die Zeiten, wo wir ihn ins Bett schleifen mussten. Oder wie er mich mit dem Gürtel die Treppe hochjagte, weil ich es gewagt hatte, ihm zu widersprechen. Eine Träne kullert Niamhs Wange hinab. Was hat sie für Erinnerungen, die ich nicht habe?
    »Danke, Minister«, sagt Vine. Und jetzt weiter zur Tagesordnung. Erster Programmpunkt bleibt die Sicherheitslage in der Kuppel.«
    »Das war’s schon?«, zischt Niamh. »Gerade mal eine Minute haben die für unseren toten Vater übrig?«
    Ich zucke die Schultern und Vine fährt fort. »Die Ordnung muss wiederhergestellt werden. Unsere Autorität darf niemand infrage stellen.« Er hämmert mit der Faust auf das Pult, dass es durch die ganze Kammer hallt. Die Minister spenden Beifall. »Berichten zufolge sind nach den Aufständen RATTEN durch die Abfallschächte entkommen und im Ödland sollen neue Terrorzellen entstanden sein. Wir dürfen nicht zulassen, dass da irgendetwas Wurzeln schlägt.« Er lächelt gekünstelt. Das sollte ein Witz sein und die paar Minister, die ihn kapiert haben, kichern los. »Wir werden die Armee entsenden, um den Sack ein für alle Mal zuzumachen.«
    Schweigen senkt sich über die Kammer und ich erstarre. Ich kann da nicht rausgehen und unschuldige Menschen abschlachten. Da weigere ich mich.
    Jude springt auf. »Darf ich dazu ein paar Worte sagen?«, fragt er. Vine nickt und räumt das Rednerpult für Jude. »Der Armee sind bei ihrem letzten Einsatz schwere Verluste zugefügt worden. Wir haben zu vieleSoldaten verloren und die Treibstofflager für die Zips sind erschöpft. Einer unmittelbaren Entsendung der Truppen kann ich deshalb nicht zustimmen.«
    »Dann lassen wir sie also entkommen?«, ruft irgendwer.
    »Wir lassen die RATTEN entkommen?«, ergänzt ein anderer.
    »Wir finden eine andere Lösung«, erklärt Jude und scheint mich anzustarren. »Wir könnten Kundschafter losschicken, die für uns Informationen sammeln. Junge Leute, denen die RATTEN vertrauen würden. Ein paar Tage und der Nachwuchs der Spezialeinheit stünde bereit.«
    Niamh knirscht mit den Zähnen. »Meint der etwa dich ?«
    Jude verzieht keine Miene, seine Hände umfassen ruhig das Rednerpult. Wie konnte ich mir von diesem Mann bloß Mitleid erhoffen – einem Mann, der seinen eigenen Sohn zum Sterben ins Ödland geschickt hat. Wie hat er das nur fertiggebracht? Inzwischen weiß ich, dass es Quinn war, der den Aufstand in der Kuppel ausgelöst hat, aber wie könnte ich ihm dafür den Tod wünschen? Er hat ja nur gesagt, wie’s ist.
    In der bedrückenden Stille der Kammer richten sich alle Augen auf mich. Einige Minister blicken besorgt drein, andere jedoch strahlen regelrecht vor Entzücken über den Plan. Jude trägt weiter sein Pokergesicht.
    »Sag ihnen, dass du’s tun wirst, Oscar. Daddy zuliebe. Diese Schweine sind dafür verantwortlich.« Niamh zupft an ihrem schwarzen Trauergewand. Sie wirkt den Tränen nahe. Ich drücke ihre Hand.
    Doch ich werde mich nicht für diese Mission aussprechen. Abgesehen davon, dass meine Meinung wohl kaum was zur Sache tun würde, schicken die uns ohnehin, egal was wir sagen. Niamh entzieht mir ihre Hand und schluchzt los.
    »Und in der Zwischenzeit werden sie neue Truppen rekrutieren und ausbilden?«, will jemand wissen. »Wenn das eine Erkundungsmission sein soll, müssen wir zum Angriff bereit sein, sobald sie erfolgreich sind.«
    »Selbstverständlich«, sagt Jude. »Die Rekrutierung läuft ab heute.« Lächelt er etwa? Ich will runter auf die Bühne und ihm den Hals umdrehen.
    »Danke, General.« Und damit geht Vine zum nächsten Programmpunkt über.
    Denn Punkt Nummer eins ist abgehakt: Ich muss wieder raus ins Ödland, ob’s mir nun passt oder nicht.

ALINA
    Zum letzten Mal lässt Silas den Anker runter. Er wischt sich mit dem Unterarm über

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