Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)
nur sprachlos glotzen können. Noch nie bin ich auf irgendwen losgegangen. Aber Rick hätte ich schon längst mal das Maul stopfen sollen.
Jude schüttelt den Kopf. »Zum Glück entsenden wir euch nicht in der Gruppe.« Er macht eine kurze Pause. »Wir schicken euch alle in unterschiedliche Richtungen. Sobald ihr auf etwas Verdächtiges stoßt, erstattet ihr uns Meldung. Wir brauchen Koordinaten. Haben wir die, schicken wir umgehend Soldaten und Zips und machen alles zu Kleinholz. Bis dahin sind wir hoffentlich wieder bei voller Leistung.«
»Haben wir die Erlaubnis zu töten?«, fragt Rick. Er mustert mich aus den Augenwinkeln.
Jude zupft an den Ärmeln seiner Uniformjacke. »Eure Aufgabe ist es, RATTEN aufzustöbern. Weitere Anweisungen erfolgen dann per Funk.«
Robyn kratzt sich die Nasenspitze. »Wie viel Zeit haben wir?«
»So lange ihr durchhaltet.« Jude will gerade wegtreten, als die Ministerin für Öffentlichkeitsarbeit mit klappernden Absätzen auf uns zugeeilt kommt.
»Können wir bitte noch ein Foto von Oscar an der Grenze machen?«, zwitschert sie. »Präsident Vine meint, eine Wortmeldung von Cain Knaverys Sohn wäre gute PR. Die Presse wird in ein paar Tagen wieder an die Arbeit gehen und dann wird das der Aufmacher.«
»Klar«, stimme ich zu. Die Presseministerin klappt ihr Pad auf, schießt ein paar Bilder und wartet dann lächelnd, um mein Statement aufzuzeichnen. »Nach all der Zerstörung, die wir bis jetzt angerichtet haben, halte ich diese Mission für…«
»Schreiben Sie einfach, was Sie wollen«, sagt Jude, der sich plötzlich zwischen mich und die Ministerin fürÖffentlichkeitsarbeit gestellt und mir einfach das Wort abgeschnitten hat. Er schlingt mir den Arm um die Schultern und zieht mich fort. »Wir haben schon genug Zeit verloren.« Ich blicke zurück zur Ministerin, die trotz des entgangenen Interviews in sich hineingrinst, weil sie den Artikel ohnehin längst in der Schublade hat.
Die Grenze wird von bewaffneten Soldaten bewacht, die zur Seite treten und uns unbehelligt die Tore und den Glastunnel passieren lassen. Wir schnallen die Sauerstoffflaschen an unsere Gürtel, schieben uns die Atemmasken über Mund und Nase. Es fühlt sich anders an als sonst, wenn wir nach draußen marschiert sind. Früher war ich Feuer und Flamme dafür, die Kuppel zu verteidigen. Jetzt werde ich nur noch eines tun: rausgehen und die Hände in den Schoß legen.
Wir drücken uns durch die Schiebetüren am Tunnelende, raus ins Ödland. Sieben robuste Geländewagen warten mit laufenden Motoren.
»Dann geht’s jetzt wohl los«, sagt Robyn schulterzuckend. Die anderen murmeln ihre Zustimmung und fummeln an ihren Atemgeräten herum.
»Wir fahren euch noch fünfzig Kilometer raus«, sagt Jude. »Weit genug, um Zeit zu sparen, aber nicht so weit, dass sie euch kommen hören. Hals- und Beinbruch.« Und das war’s dann. Mary, Rick, Nina, Johnny und Robyn wählen je ein Auto und steigen ein.
Ich blicke noch mal zur Kuppel empor. Jetzt könnte ich gehen und niemals wiederkehren. Aus freien Stücken verschwinden. Jude hat keinen Zweifel daran gelassen, dass der Minister mich niemals freigeben würde,und bei jedem Widerstandsversuch werden sie mich hinrichten. Aber wenn irgendwer im Ödland überleben kann, dann ich.
Die Frage ist nur: Will ich das überhaupt? Im Training sind uns genug Ausgestoßene untergekommen, schwachsinnig vor Einsamkeit und nicht mal mehr sicher, auf welchem Planeten sie sich befanden. Ein alter Kerl war so ausgehungert, dass er seinen eigenen Arm angeknabbert hatte. Und was wäre mit Niamh? Ich kann sie nicht ihrem Schicksal überlassen. Wer weiß, was die ihr antäten.
»Leg einen Zahn zu«, sagt Jude. Er schmeißt meinen Rucksack in das einzige führerlose Fahrzeug.
»Was machst du da?«
»Dich kutschieren. Wir haben was zu besprechen.«
Wir reden kein einziges Wort. Lange ruckeln wir schweigend über das holprige Gelände und durch die fettige Windschutzscheibe sehe ich dem Auf und Ab der Scheibenwischer zu.
Schließlich bremst Jude den Geländewagen ab und schaltet den Motor aus. Er legt sich die Hände auf die Knie, sitzt mehrere Minuten einfach nur da und stiert geradeaus. Ich unternehme keinen Versuch, die Spannung zu brechen. Wenn er was zu sagen hat, soll er’s ausspucken.
»Du weißt wohl inzwischen, dass Quinn es war, der die Kuppel fast in die Knie gezwungen hat?« Er dreht sich zu mir.
»Wenn du meinst, dass er auch für den Tod meines Vaters verantwortlich
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