Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)
nur nicht auf Vanya. »Aber wenn ihr einmal dabei seid, lasse ich euch nicht mehr gehen«, sagt Vanya. Ihre Hand liegt immer noch auf seiner Brust, doch jetzt sieht sie jeden von uns einzeln an, damit uns das auch allen klar ist. Sie mag mit Silas ihre Scherze treiben, doch hinter der Flirterei verbirgt sich tiefes Misstrauen. Und nichts anders hatte ich erwartet. Petra hätte nie Neuankömmlinge aufgenommen, ohne sie vorher in Todesangst zu versetzen. Wo man ständig um die eigene Lebensgrundlage fürchten muss, haben Gnade und Skrupel keinen Platz.
»Wir wären glücklich, bleiben zu dürfen«, sagt Dorian.
Vanya lächelt und macht einen Schritt zurück, weg von Silas. »Übergangsweise schicke ich euch mit Maks zu einer unserer Hütten. Morgen lernen wir uns dann etwas besser kennen.«
»Selbstverständlich«, nickt Dorian. Silas schaut ihn misstrauisch an. Diese Rumschleimerei ist mehr als nervtötend – sie ist schon hart an der Grenze zur Abtrünnigkeit.
»Sagt mir nur noch: Gibt es weitere Überlebende aus dem Hain?«
Mein Magen verknotet sich. Im Zimmer wird es mucksmäuschenstill.Wir schütteln die Köpfe und blicken zu Boden. Holly hat überlebt, aber das wird sie von uns nicht erfahren.
»Wir ham ihnen ja gesagt, sie soll’n abhauen«, sagt Maude. »Wir ham sie gewarnt. Keiner kann sagen, wir hättn’s nich getan.« Wohl wahr, aber davon kann sich jetzt auch keiner was kaufen und Maude soll einfach nur die Klappe halten.
»Seid ihr sicher , dass sonst niemand entkommen ist?«, fragt Vanya.
»Als wir es zuletzt gesehen haben, ist das ganze Gebäude komplett in sich zusammengestürzt. Wir sind so lange geblieben wie irgend möglich«, sagt Silas.
»Das glaube ich gerne«, sagt Vanya. Sie kehrt uns den Rücken zu.
»Hier lang.« Maks führt uns raus auf den Flur. Er stiefelt vorneweg, einen deutlichen Abstand zwischen uns haltend.
»Wenigstens lassen sie uns hierbleiben«, sage ich.
Binnen Sekunden marschiert Song zwischen Silas und mir. »Wisst ihr, wer das war?«, flüstert er.
»Pssst«, macht Dorian mit Blick auf Maks.
»Wer?«, zische ich.
»Vanya ist Petras Schwester.«
»Ihre Schwester?« Ich hab noch nicht mal gewusst, dass sie eine hatte.
»Vanya hat wilde Drohungen ausgesprochen, bevor sie abgehauen ist. Die ist einfach raus ins Ödland und nie zurückgekehrt. Noch nicht mal ihren Namen durften wir erwähnen.«
»Was gibt’s da zu flüstern?«, forscht Maks. Er bleibt stehen und wartet, bis wir aufgeholt haben.
»Ich hab nur deinen Arsch bewundert, Liebling«, sagt Maude und zwinkert ihm zu. Und wir lachen viel zu laut, um unsere Zweifel und unsere Panik zu überspielen. Warum hat Vanya nichts davon erwähnt? Und warum ist sie überhaupt aus dem Hain geflüchtet?
QUINN
Ich stelle mich unter eine verrottete Markise, um wenigstens kurz dem Regen zu entkommen, und ziehe die Karte hervor. Wie es aussieht, liegt Sequoia über hundert Kilometer von St. Pancras entfernt, und ich hab noch nicht mal die Hälfte davon zurückgelegt. Ich bin gerade mal ein paar Tage unterwegs und schon komplett im Arsch. Und hab zudem noch viel zu viel Sauerstoff verbraucht. Jazz hat gemeint, ich soll dem Fluss bis nach Henley folgen und dann die alten Straßen nehmen. Leichter gesagt als getan. Auf ihrer Suche nach dem Hain haben die Ministeriumsleute sich an der ganzen verdammten Stadt ausgetobt und die Strecke flussaufwärts wird alle paar Meilen von irgendwelchen Trümmerhaufen versperrt.
Was hab ich mir nur dabei gedacht? Bea hat niemanden außer mir und ich zieh einfach ab und lass sie sitzen. Jetzt bin ich alleine, Bea so gut wie, und beide haben wir keine Ahnung, wann wir uns wiedersehen.
Die Plane ächzt unter dem Gewicht des Wassers, das sich in einer Ecke sammelt, und ich flüchte schnell raus in den Regen, bevor ich alles abkriege. Die Straße isteng und dunkel, die meisten Häuser völlig hinüber. Im Staub erkenne ich Spuren von Panzerraupen. Ich trete gegen einen einsamen Turnschuh auf der Straße, stelle mir den Mantelkragen auf und mach mich wieder auf die Socken.
Hinter einer Biegung endet plötzlich die Straße. Stattdessen stapelt sich ein Riesenberg rostiger Autowracks und schrottiger Lastwagen. Bleibt nur noch klettern. Meine Füße stütze ich in Wagenfenstern und auf Seitenspiegeln ab. Ich verliere den Halt und rutsche auf nassen Fahrzeugen aus, und als ich endlich oben ankomme, bin ich heilfroh, dass der Weg vor mir frei und der Fluss in Sichtweite ist.
Doch da bewegt sich
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