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Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)

Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)

Titel: Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Crossan
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bitten, als Gefallen quasi. Ich musste wissen, wie es dazu gekommen war, und deshalb zwangsläufig Zeuge werden, wie mein Vater Beas Eltern kaltblütig abknallte. Und jetzt nennen sie Bea eine Terroristin, auch wenn sie eher wie eine Ausgestoßene aussieht. Auf dem Boden liegen leere Flaschen und blutige Lumpen verstreut.
    »Kann ich euch helfen?«
    Bea schwingt das Messer. »Was willst du hier?«
    »Wen interessiert’s? Stich ihn ab«, murmelt das Kind.Sie ist erschreckend bleich und scheint sich nicht vom Fußboden rühren zu können. Eines ihrer Hosenbeine ist aufgerissen, die umliegenden Fliesen sind blutverkrustet. Sie weint und auch über Beas Gesicht rinnt eine Träne.
    »Ich tu euch nichts«, versichere ich. »Ich habe Geräusche gehört, mehr nicht. Ich wollte nur nachschauen.« Niamh hat sich mal über Quinns peinliche Klammerei an Bea beschwert, wie sie es nannte. Jetzt, wo ich sie gefunden habe, ist vielleicht auch er nicht weit.
    Ich verstaue die Pistole in meiner Tasche und komme vorsichtig näher. Bea zuckt bei jedem Schritt zusammen, und als keine Armeslänge mehr zwischen uns liegt, erstarrt sie völlig. »Verschwinde«, sagt sie. Sie führt das Messer bis auf ein paar Zentimeter vor mein Gesicht. Ihre Augen sind groß vor Angst, Erschöpfung, Wahnsinn – vielleicht alles auf einmal.
    »Das Mädchen ist schwer verletzt«, sage ich. Vorsichtig schiebe ich Beas Hand und das Messer aus meiner Gesichtsnähe. Doch sie schwingt es zurück in meine Richtung und drückt mir die Spitze so fest gegen den Hals, dass es die Haut ritzt. Damit habe ich nicht gerechnet, ich springe zurück und wische mir das Blut ab. Entschlossen reckt sie den Arm nach vorne. » Hau ab , hab ich gesagt«, droht sie.
    Ich könnte ihr das Messer leicht entwinden, aber da sie mich vielleicht zu Quinn führen kann, muss ich ihr Vertrauen gewinnen. So gehe ich lieber auf Abstand und krame eine Taschenlampe aus meinem Rucksack, um auf das Bein des Kindes zu leuchten. Es ist rot und geschwollen, die Haut gespannt, der lange Schnitt gelbverfärbt. Mein Magen meldet sich. Bea lässt mich nicht aus den Augen.
    »Wie lange ist das schon so?«, frage ich.
    »Ich weiß nicht. Eine Woche vielleicht?« Ihr Kinn zittert. Dem Kind bleibt nicht mehr viel Zeit, nicht ohne anständige medizinische Versorgung.
    »Verstehe«, sage ich. Ich könnte lügen, aber ich hab keinen Grund dazu. »Ich kann Hilfe für sie organisieren. Ich bin Oscar Knavery.«
    Sie schaut auf mein Ohrläppchen und hält dann das Messer wieder hoch. Ihre Züge sind versteinert. »Dein Vater hat meine Eltern ermordet«, zischt sie. Das kann ich nicht leugnen, so oft wie ich mir die Videoaufzeichnungen angesehen habe, und so nicke ich. Aber wenn sie mich schon wegen der Tat meines Vaters hasst – wie würde sie erst auf das reagieren, was ich bei der Zerstörung des Hains angerichtet habe? Den Gedanken an all die Menschen und Bäume, die ich gefällt habe, kann noch nicht mal ich selbst ertragen.
    Wir betrachten einander wortlos, bis sie schließlich die Nase hochzieht. »Du siehst aus wie dein Vater«, sagt sie. Das habe ich schon öfter gehört, als Kompliment sozusagen, aber sie meint es beleidigend. Sogar ihr Zähneknirschen kann ich hören.
    »Ich weiß«, sage ich. »Aber ich bin nicht er. Und es tut mir wirklich leid, was dir passiert ist.« Ich spreche ganz ruhig, behutsam, immer in der Hoffnung, dass sie meine Aufrichtigkeit heraushört.
    »Dann schätz ich mal, du willst mich jetzt zurückbringen und aufknüpfen lassen.«
    »Nein. Ich suche jemand anderen.«
    Sie verzieht keine Miene. »Bis auf uns ist keiner übrig.«
    Ich halte den Atem an. »Wovon übrig?«, frage ich, obwohl ich genau weiß, was jetzt kommt.
    »Vom Hain. Dem Ort der Zuflucht, den dein Vater dem Erdboden gleichgemacht hat.«
    Als wir den Hain verließen, war er gerade im Einsturz begriffen, aber habe ich dort nicht Überlebende flüchten sehen? Oder mache ich mir da aus reinem Selbstschutz was vor? Haben wir sie alle vernichtet? Die Menschen und die Bäume?
    Und Quinn? Wo steckt er?
    Bea beäugt mich schweigend.
    »Eigentlich war Quinns Vater verantwortlich für die Mission«, wage ich mich vor.
    »Quinn?«, murmelt das halb bewusstlose Kind, was ihr ein Psssst von Bea einbringt.
    Also kennt die Kleine Quinn, was bedeuten könnte, dass er hier war. Und vielleicht zurückkehrt. Ich beobachte Bea noch ein paar Augenblicke, aber ihr Gesicht gibt nichts preis. Wie soll ich wissen, ob das Mädchen ihn

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