Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)
über dem Bett und frage mich, ob Bea es inzwischen schon in die Kuppel zurückgeschafft hat.
»Dann sind das die letzten freien Minuten des Tages«, seufzt Clarice und steht auf, mit nichts am Leib außereinem kurzen T-Shirt. Ich bemühe mich nach Kräften, sie geflissentlich zu übersehen.
»Frei sieht anders aus.« Ich überfliege unsere Termine. Wenn ich diese Arbeitszeit schwänze, würde das auffallen? Noch eine Nacht in diesem Bett ist einfach nicht drin. Und Alina kann auf keinen Fall eine weitere Nacht mit Maks verbringen. Wir müssen allesamt so schnell wie möglich raus hier, wenn wir Oscar und Bea bei ihrem Plan unterstützen und die Kuppel zurückerobern wollen.
»Manchmal rennen die Leute von hier weg, weil ihnen die Verpaarung nicht passt. Wirst du das auch machen?«, fragt Clarice und mustert mich. Sie türmt sich ihre Haare auf dem Kopf auf und fixiert sie mit etwas, das nach Essstäbchen aussieht.
»Quatsch«, lüge ich mit breitem Lächeln und schnüre mir die Schuhe fest zu.
»Das ist gut«, sagt sie, »denn jeder, der hier abhauen will, ist am Ende tot und ich will echt nicht, dass du stirbst. Jedenfalls nicht, bevor wir uns fortgepflanzt haben.«
ALINA
Maks lässt mich keine Sekunde aus den Augen und verhindert damit erfolgreich jede Fluchtplanung. Der einzige Teil dieses Tages, der nicht unter absolute Hölle fällt, ist die Truppenübung. Rennen, Boxen, Werfen und Ducken stehen ganz oben auf meiner Trainingswunschliste und sogar Maks scheint beeindruckt, als ich beim Zielschießen auf die an Drähten baumelnden Dosen und Flaschen zuverlässig ins Schwarze treffe. »Gar nicht übel«, sagt er. Vielleicht glaubt er ja, ich würde mich für Sequoia so ins Zeug legen, doch ich will einfach selbstverteidigungstechnisch wieder auf der Höhe sein, wenn wir in die Kuppel zurückkehren.
Immer, wenn ich Silas sehe, hängt Wren ihm auf der Pelle, und als ich einen Unterhaltungsversuch starte, zerrt Maks mich doch tatsächlich weg. Und Sugar hat sich schon voll an Abel geklettet. Beim Mittagessen probiert er, unauffällig mit mir in Kontakt zu treten, doch Maks überwacht jeden Bissen, den ich mir in den Mund schiebe, und feuert sengende Blicke auf Abel ab.
Nachdem wir vormittags an unserer Treffsicherheit gearbeitet haben, werden jetzt steingefüllte Rucksäcke für eine Wanderung ausgeteilt. Selbst die alten Hasen bekommen Sauerstoffflaschen. »Sparsam verwenden«, ermahnt uns Maks und führt hundert Milizionäre aus Sequoia heraus und über einen Trampelfpad in die Berge, vorbei an Felsen, abgestorbenem Gräsern und verwitterten Tierskeletten.
Im strömenden Regen marschieren wir Stunde um Stunde. Wir sind durchgeweicht bis auf die Knochen. Ich drehe das Sauerstoffventil auf, aber auch so ist alles zu viel: Die Neulinge, ich eingeschlossen, fallen immer weiter zurück. Maks läuft ganz vorne, während ich mit Abstand die Letzte bin. Doch plötzlich ist Abel neben mir, zupft mich am Ärmel und sagt irgendwas, aber mit meinem Schnaufen im Ohr, dem Regen und dem lauten Marschieren kann ich ihn nicht verstehen. Er hält mich fest, damit ich langsamer gehe. Die Truppe prescht unbeirrt weiter. Wir stehen nebeneinander und er lüpft seine Maske. »Maude, Bruce und Jo«, sagt er.
»Was haben sie mit ihnen gemacht?« Ich nehme mal an, dass die Leiche, die Crab vor Silas’ und meinen Augen vergraben hat, die eines Stifters war. Enden die alle da draußen in den Massengräbern? Aber warum?
Abel lässt die Maske zurückschnalzen und spricht lauter. »Ich zeig’s dir heute Abend. Wir müssen schnell handeln. Jede Stunde, die verstreicht, ist eine zu viel.«
Ich stolpere über einen Stein und schreie auf. Abel fängt mich ab und Maks, der schon fast dreißig Meter voraus ist, schnellt herum und bleibt stehen. Er lässt dieanderen vorbeiziehen und wartet, bis wir ihn eingeholt haben. Dann marschiert er neben uns weiter.
»Ihr Ventil hat geklemmt. Sie hat keine Luft mehr gekriegt«, sagt Abel, der sich wieder neben Sugar eingliedert.
»Du – bleibst – bei – mir«, sagt Maks und packt mich so am Arm, dass mich der Schmerz wie ein Blitz durchfährt. Ich entwinde mich seiner Umklammerung und Maks hebt die Hand, als wolle er mir eine knallen, bevor er sich innerlich zurückpfeift. »Genug für heute«, verkündet er der Truppe, macht auf dem Absatz kehrt und läuft wieder bergab.
»Heut Abend. Warte im Flur auf mich, nach den Spritzen«, raunt Abel mir noch zu.
Im Speisesaal findet Silas einen
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