Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)
viel leichter mit Abel reden. Ich kann ehrlicher sein, mehr ich selbst.
»Es tut mir leid«, sagt er und mehr muss ich gar nicht hören. Doch er redet weiter. »Mein Auftrag war es, so viel wie möglich über die Rebellen rauszufinden. Vanya meinte, ihr hättet ein neues Zuchtprogramm entwickelt, aber das Einzige, was ihr gezüchtet habt, waren Pflanzen.«
Unsere gemeinsame Mission mit dem Stecklingsdiebstahl aus dem Biosphärenreservat war mein erster großer Auftrag für die Rebellen, doch für Abel war es nicht mehr als irgendein Job. Einfach mitmachen, sonst nichts. Undweil er obendrein noch kalte Füße bekam, wurden wir beinahe erwischt. Und deshalb musste ich aus der Kuppel fliehen und Bea und Quinn in etwas reinziehen, von dem sie null Ahnung hatten. Ich könnte jetzt unendlich weitermachen, alles aufzählen, was dank dieser Aktion schiefgelaufen ist und uns in diese Situation hier gebracht hat.
»Die Bäume waren dir scheißegal.«
»Ich hab daran geglaubt, was wir machen«, entgegnet er. »Das Bäumezüchten hat den Leuten Hoffnung gegeben. Nach diesem Tag in der Biosphäre wollte ich dir unbedingt sagen, wer ich bin, aber bevor ich dazu gekommen bin, haben sie mich verhaftet.« Er drückt meine Hand.
»Was hat das Ministerium dir angetan?«
»Mir die Seele aus dem Leib geprügelt. Die haben immer noch darauf gewartet, dass ich auspacke, als die Aufstände losgegangen sind, und dann hat mich irgendein Minister rausgeschmissen, weil er geglaubt hat, ich ersticke. Als ich’s letztendlich zum Hain geschafft hatte, war der nur noch ein Trümmerhaufen.« Er hält kurz inne. »Jetzt sind wir ganz unten. Komm.« Wir eilen einen engen Gang entlang. Der Boden ist rutschig, aber Abel zögert nicht.
»Und Jo?« Jetzt, wo ich schon dabei bin, kann ich ihn das auch noch fragen.
»Die hab ich am Hain getroffen. Sie ist weggelaufen und deshalb ist sie jetzt Stifterin.«
Aber darauf wollte ich gar nicht hinaus. Er lässt meine Hand los. Ein dürrer Lichtstrahl dringt in denGang und ein eisiger Windstoß haucht mich an. »Da lang«, sagt Abel und führt mich ins Freie. Das Hauptgebäude haben wir hinter uns gelassen, doch Abel dreht sich immer wieder prüfend um. Jetzt kommen wir zu einem Gebäude, dessen Fenster so schmal sind, dass es schon absurd ist.
»Schau rein«, flüstert Abel. Mein Magen dreht sich um. Wenn ich da jetzt reinblicke, dann werde ich es gesehen haben. Die Bilder wären für immer in meinem Kopf. Ich drücke ein Auge gegen die Scheibe.
Im Inneren ist eine grell beleuchtete Krankenstation mit zwei gegenüberstehenden Reihen von Eisenbetten, an denen Menschen in fadenscheinigen Hemdchen festgezurrt sind. Alle haben Schläuche in Nase und Mund und eine Infusionsnadel in den Händen. Alles hängt an zischenden Apparaten neben ihren Betten. Ein schrilles Piepsen erfüllt den Raum und eine Krankenschwester springt von ihrem Schreibtisch auf und eilt zu einem Bett, um dort an der Maschine rumzudrehen. Das Piepsen wird von einem tiefen Stöhnen abgelöst. Die Schwester blickt ungerührt aufs Bett und kehrt dann zu ihrem Tisch zurück.
Ich lasse mich neben Abel zurücksinken. »Das kapiere ich nicht«, sage ich.
»Das ist das Testlabor. Ihr Sauerstoff wird unter Überwachung der Organfunktion rationiert. Vanya lässt untersuchen, welche chemischen Bedingungen das Ersticken verhindern könnten.«
Ich schaue wieder hinein, um Maude und Bruce zu finden, aber jeder da drinnen ist gleichermaßen abgemagertund die Gesichter sind nicht zu erkennen. »Wie lange lassen die sie in dem Zustand?« Abel zögert mit seiner Antwort und so gebe ich sie mir schließlich selbst. »Die experimentieren so lange an den Menschen rum, bis sie sterben?« Irgendwo hatte ich das schon erwartet, aber die Gewissheit ist noch mal was ganz anderes. »Aber wie begründet Vanya den anderen gegenüber, dass sie komplett von der Bildfläche verschwinden und nie wieder gesehen werden?«
»Du hast doch gehört, was sie in der Orangerie von sich gegeben hat – dass die Stifter ihr Leben der Meditation widmen und die Energie nicht verunreinigt werden darf.«
»Und das kaufen die Leute ihr ab?«
»Ein paar schon. Andere denken lieber gar nicht groß drüber nach.« Das wundert mich nicht. Klingt auch nicht unwahrscheinlicher als die Idee, dass Bäume nur in der Biosphäre wachsen können. Die Leute fressen, was man ihnen vorsetzt.
»Da ist noch was«, sagt er und kriecht zu einem anderen Fenster.
Das Zimmer steht voller
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